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Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 21<br />

<strong>Die</strong> Landesordnung des Grafen Christoph von Fürstenberg (1580-1614) vom 22. April 1607, die im Wesentlichen<br />

auf der Landesordnung des Grafen Albrecht von Fürstenberg (1557-1599) vom 30. Juni 1564 beruht 118 ,<br />

präzisiert dieses Verbot 119 :<br />

Von der Faßnacht. <strong>Die</strong> Faßnacht alls ain haidnische unsinnigkait, ist hievohr undt auch Jetzt von Newem<br />

wiederumb verbothen undt abgestelt, das niemands den andern für sich Selbs überlaufen soll bey Pön 2 fl.<br />

dem haushalter, so es guetwillig geduldet und nit angezaigt, auch Jeder derselben überlaufender personen<br />

zue erlegen.<br />

Im Jahre 1600 wird Michel Knoller, weilen er in der Faßnacht in Mumerey Scheltung gegen jung Jacob<br />

Duppelin getrieben, vom Ehrsamen Rat bestraft 120 . Das Wort Mummerei ‚Vermummung, Verkleidung’ dürfte<br />

sich aus dem Verb mummen ‚dumpf und undeutlich reden; (sich) einhüllen, maskieren’ entwickelt haben 121 ; im<br />

übertragenen Sinne kann es auch Scherz oder Jux bedeuten 122 . 1751 werden vier Bürgersöhne wegen dem<br />

verbottenem Narroo Gassenlaufen über letztverstrichene 3 Faßnachts Täg im Schloß in ein Zimmer in Arrest<br />

gesetzt 123 . Einige Jahre später suchen mehrere Bürgerssöhne der Stadt beim Oberamt um die Erlaubnis nach, an<br />

Faßnacht mit Masken laufen zu dürfen 124 . 1785 bitten die ledigen Burgerssöhne Aloys Nef, Joseph Armbruster,<br />

Burgermeister Krausbeck und Wendelin Vivell um die Bewilligung, daß sowohl ihnen als anderen<br />

Burgerssöhnen und Burgern gestattet werden möchte, sich diesen Fasching mit Masceraden belustigen zu<br />

dürfen 125 . Sie erhalten die Erlaubnis dazu auf die letzteren 2 Faschingstäge mit der Erinnerung, dass sie sich<br />

hierbey ordentlich und ehrbar aufführen und niemand Unbilden zufügen sollen 126 . Auch in den folgenden Jahren<br />

wird den ledigen Burschen Armbruster, Moser, Vollmar, Vivell und Schnetzer jeweils verwilliget, über die<br />

Fastnachtstage masciert im Orte herumlaufen zu dürfen, jedoch mit der Bedingnus, daß sie sich der Spritzen<br />

nicht bedienen, niemand Leid zufügen und sich während des Gottesdienstes des Maskenlaufens enthalten,<br />

benebst nur am Montag und <strong>Die</strong>nstag sich mit diesem Laufen abgeben sollen 127 .<br />

Alle Excesse waren streng untersagt: Einer Maske, die mit einer Rute und einem Butellenwischer, vermutlich<br />

einem Gerät zur Reinigung einer Butelle ‚kleine Flasche’ 128 , dreinschlägt, wird das Fisir, also die Larve abgerissen<br />

129 . Auch der Gebrauch von Peitschen, Scheereisen und Blattern wird verboten 130 . Ein Schereisen ist ein<br />

Hufeisen aus zwei beweglichen Teilen, sodass es mittelst einer Schraube an große und kleine Hufe gelegt<br />

werden kann 131 ; vielleicht ist damit aber auch eine hölzerne Streckschere gemeint, wie sie heute von den<br />

Nussschalenhanseln benutzt wird und von der sich zwei alte Exemplare im Museum Schloss Wolfach befinden<br />

132 .<br />

<strong>Die</strong> Blatter dürfte eine Saubloder ‚Schweinsblase’ gewesen sein 133 , das vielleicht beliebteste Neckinstrument<br />

in der <strong>Fasnet</strong>. In der älteren volkskundlichen Literatur wird diese mit Fruchtbarkeitsriten in Verbindung gebracht<br />

134 . Viel eher ist zu vermuten, dass die Schweinsblase als ein kostengünstiges Schlagutensil Verwendung<br />

fand, weil an der <strong>Fasnet</strong> letztmals vor der 40-tägigen Fastenzeit geschlachtet werden durfte und sie deshalb in<br />

großer Zahl vorhanden war 135 . Für die von dem Volkskundler <strong>Die</strong>tz-Rüdiger Moser und seinen Schülern geäußerte<br />

Vermutung, mit der Saubloder werde die Fresssucht oder Unkeuschheit des Narren allegorisch dargestellt<br />

136 , gibt es keine schriftlichen Belege. Prof. Dr. Werner Mezger behauptet gelegentlich bei seinen Fernsehkommentaren<br />

zu den Narrentreffen, dass sich die Narren mit einer Saubloder selbst darstellten, denn das engl.<br />

fool, frz. folle ‚Narr’ gehe auf das lat. follis ‚leerer Sack’ zurück, ein Narr sei also nur eine leere Hülle ohne<br />

Inhalt 137 . Das lat. follis bedeutet jedoch auch ‚lederner Schlauch, Geldbeutel, Ballon, Blasebalg, Spielball’ 138 und<br />

116 jemanden überlaufen ‚belästigen’. Wahrig: Deutsches Wörterbuch, 3779, s. v. überlaufen.<br />

117 Mhd. pêne, pên < lat. poena ‚Strafe’. Lexer: Mhd. Taschenwörterbuch, 158, s. v. pêne.<br />

118 MFA II, 78.<br />

119 Faksimile des Textes von 1607 abgedruckt in Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 34. – Normalisierte Wiedergabe<br />

des Textes in MFA II, 833.<br />

120 Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

121 Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 897, s. v. mummen. – Vgl. auch das Wort Mummenschanz ‚Maskerade, Maskenfest’.<br />

122 Grimm: Deutsches Wörterbuch XII, 2666-2668, s. v. Mummerei. – Hier wird als Ursprung das nl. mommerije angegeben.<br />

123 Disch: Chronik Wolfach, 443.<br />

124 Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

125 Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

126 Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

127 Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

128 Baum: Alem. Taschenwörterbuch, 43, s. v. Butelle.<br />

129 Disch: Chronik Wolfach, 444. – Visier ‚Maske, Larve’ < frz. visière, afrz. visiere ‚Helmgitter’. Grimm: Deutsches Wörterbuch XXVI,<br />

375, s. v. Visier (3); Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 1518, s. v. Visier.<br />

130 Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

131 Grimm: Deutsches Wörterbuch XIV, 2569, s. v. Schereisen.<br />

132 Siehe Anmerkung 441.<br />

133 Blatter geht zurück auf ahd. blātara ‚Blase’ < idg. *b h el- ‚aufblasen, schwellen’. Köbler: Ahd. Wörterbuch, s. v. blātara.<br />

134 Kutter / Knauss: Schwäbisch-alemannische Fasnacht, 56.<br />

135 Mezger: Das große Buch der schwäbisch-alemannischen <strong>Fasnet</strong>, 71.<br />

136 Leibbrand: Vom Sinn der Fastnacht, 60.<br />

137 Mezgers Spekulation wurde ungeprüft übernommen in Haller: Narrenutensilien und Narrenattribute.<br />

138 Zedler: Grosses Vollständiges Univeral Lexicon IX, 1436, s. v. Follis.

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