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Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 168<br />

<strong>Die</strong> Musiktexte sind beim Eingange oder bei den Unternehmern für 8 kr. zu haben. – Biberach am 18. Sept. 1802. – <strong>Die</strong> Unternehmer,<br />

Johann Maximilian Kick – Johann Jakob Braun, im Namen beider Musikchöre 1350 .<br />

<strong>Die</strong> Formulierung, dass sich bereits mehrere Orte den Genuß dieses Kunstwerks verschafften, bezieht sich<br />

vielleicht auf die Aufführungen der Schöpfung in Donaueschingen am 20. April 1800 1351 und im Kloster Ottobeuren<br />

am 16. November 1801 1352 . <strong>Die</strong> Musiktexte für die Konzerte zum Preis von 8 kr erschienen unter dem<br />

Titel <strong>Die</strong> Schöpfung, / In Musik gesetzt / von / Haydn / Biberach 1802 bei den Gebrüdern Knecht, Johann Georg<br />

(1776-1824) und Justin Heinrich (1780-1817), den Söhnen des Komponisten, in deren Druckerei auch das<br />

Wochenblatt erschien 1353 .<br />

Der Veranstaltungsort, die Pfarrkirche St. Martin, wurde seit 1649 als Simultankirche von beiden<br />

Konfessionen zu Gottesdiensten benutzt 1354 . Um vor dem Altar genügend Platz für alle an der Schöpfung beteiligten<br />

Personen zu schaffen, wurde letztmals die Schwörbrücke aufgeschlagen, die früher beim seit dem 16.<br />

Jahrhundert belegbaren und alle drei Jahre stattfindenden Schwörtag benützt worden war. Der Schwörtag galt<br />

einst als der höchste Festtag der Stadt, an dem die Obrigkeit ihren Treueeid und die Bürger den Huldigungseid<br />

ablegten und der mit einer Freinacht bei Tanz und Trunk endete 1355 .<br />

Am 25. September 1802, also fünf Tage vor der ersten Aufführung, nahm der Regierungskommissär des<br />

Markgrafen von Baden, der Geheime Rat und Hofgerichtsdirektor Rheinhardt, im Auftrag des neuen Landesherrn<br />

die freie Reichsstadt feierlich in Besitz; die Übernahme wurde drei Monate zuvor im Pariser Indemnisationsplan<br />

festgelegt und am 29. August offiziell angekündigt 1356 . Der Biberacher Maler Johann Baptist<br />

Pflug (1785-1866) berichtet in seinen Erinnerungen, dass kurz danach ein Conzert, welches Meister Knecht<br />

dirigirte, der Feier ein würdiges Ende machte 1357 . Es ist jedoch nicht ganz klar, ob Pflug damit die Darbietung<br />

der Schöpfung meinte, an der er selbst als Alt-Sänger beteiligt war und die er an anderer Stelle ausführlich beschreibt<br />

1358 :<br />

Ich erinnere mich noch recht lebhaft, wie Haydns Schöpfung gegeben wurde und [Knecht] das Direktorium darüber führte, welche Ehre<br />

ihm von Conventualen vom Kloster Ochsenhausen, Schussenried, Marchtal, Weingarten und Wiblingen u.s.w. zu Teil wurde. In der<br />

Pfarrkirche ward ein hohes Gerüst aufgeschlagen, auf welchem die Musiker in geordneter Weise gegeneinandergestellt wurden, und<br />

welches nach damaligem Geschmack so viel als möglich schön verziert war. Nach beendigter Produktion dankte Herr Knecht den sämtlichen<br />

Musikern, die mitgewirkt hatten, besonders erwähnte er die Herrn Conventualen. <strong>Die</strong>se umringten darauf Herrn Knecht und<br />

überhäuften ihn mit Lobreden. Es war lustig anzusehen, wie Herr Knecht unter diesen Mönchen stand, welche mit weißen und<br />

schwarzen Habiten 1359 um ihn versammelt waren, um seinen Dank und Ehrbezeugung gegen sie zu antworten. Ich habe damals selbst bei<br />

dieser Aufführung als Sänger mitgewirkt und war [17] Jahre alt.<br />

Im Biberacher Wieland-Museum befindet sich ein handschriftliches Verzeichnis der bei der Schöpfung mitwirkenden<br />

Personen 1360 . Das zweimal gefaltete Blatt im Format 38 cm * 23,5 cm ist beidseitig beschrieben. Aus<br />

den Nachträgen und Verbesserungen in der Auflistung der Mitwirkenden auf der Vorderseite lässt sich<br />

schließen, dass diese bereits vor dem 18. September 1802, dem in der oben zitierten Zeitungsannonce genannten<br />

Datum, entstanden sein müsste und sich dann in der gut zweiwöchigen Probenzeit noch einige Änderungen in<br />

der Besetzung ergaben: Während in der gedruckten Ankündigung die beiden Musikdirektoren Knecht und<br />

Bredelin erwähnt werden, wurde im handschriftlichen Verzeichniß der Name Bredelin von anderer Hand nachgetragen<br />

– offensichtlich eine Reaktion darauf, dass Knecht sich entgegen der ursprünglichen Absicht nur zur<br />

Übernahme der Direktion überreden ließ und Bredelin deshalb die Einstudierung des Chores leiten musste.<br />

Auf der Rückseite wurden von späterer Hand in den vier durch die Faltung entstandenen Feldern genaue Angaben<br />

über die Provenienz des Blattes und die Umstände der Aufführung eingetragen 1361 :<br />

Verzeichniß der musicierenden Personen bei der Schöpfung, aufgeführt in Biberach 1802.<br />

1350<br />

Es gab, wie bei allen offiziellen Institutionen in Biberach / Riß, je einen katholischen und evangelischen Musikchor.<br />

1351<br />

Strauß-Németh: Johann Wenzel Kalliwoda, 15; Tumbült / Dollinger: Das Fürstlich Fürstenbergische Hoftheater, 60; Baser: Musikheimat<br />

Baden-Württemberg, 168.<br />

1352<br />

Zeidler: Aus dem Schul- und Theaterleben von Ottenbeuren, 137.<br />

1353<br />

Ladenburger: Zum Verhältnis Joseph Haydns zu Wieland und Knecht, 22. – Es ließ sich bislang kein Exemplar der Musiktexte auffinden.<br />

1354<br />

Zur Geschichte der Parität und Simultankirche in Biberach / Riß siehe Gründig: Verwickelte Verhältnisse, 30-40, 65-97. – Zur baulichen<br />

Entwicklung der Kirche St. Martin siehe Preiser: Biberacher Bauchronik, 108-127.<br />

1355<br />

Günther: Singt dem Herren alle Stimmen, 48f.<br />

1356<br />

Gründig: Verwickelte Verhältnisse, 42; Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 21 (1998), Heft 2, 20. – <strong>Die</strong> vom Biberacher Rat<br />

am 25.9.1802 beschlossene Verordnung zur Übernahme durch Baden ist abgebildet in <strong>Die</strong>mer: Simultaneum und Parität, 47.<br />

1357<br />

Günther: Singt dem Herren alle Stimmen, 46.<br />

1358<br />

Zitiert nach Schlegel: J. H. Knecht und die Aufführung der „Schöpfung“, 89. – <strong>Die</strong> Beschreibung der Biberacher Aufführung der<br />

Schöpfung von Georg Luz in seinen 1876 erschienenen Beiträgen zur Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Biberach (zitiert in<br />

Günther: Singt dem Herrn alle Stimmen, 60f.) basiert auf Pflugs Erinnerungen. <strong>Die</strong> Angabe von Luz, dass es noch weitere Aufführungen<br />

der Schöpfung in Ochsenhausen, Schussenried, Marchtal und Weingarten gab, beruht offensichtlich auf einem Missverständnis von<br />

Pflugs Formulierung über die Ehre, die Knecht mit dem Direktorium der Biberacher Aufführung von den Conventualen der genannten<br />

Klöster zu Teil wurde. Auch eine Aufführung in Wiblingen, wie in Ladenburger: Zum Verhältnis Joseph Haydns zu Wieland und<br />

Knecht, 22, behauptet wird, lässt sich nicht nachweisen, siehe weiter unten.<br />

1359<br />

<strong>Die</strong> Benediktiner aus Ochsenhausen trugen schwarze, die Prämonstratenser aus Obermarchtal und Schussenried weiße Gewänder.<br />

1360<br />

Signatur WM Hs. 1883. Der Wortlaut des Verzeichnisses findet sich im Abschnitt 5.3.5 <strong>Die</strong> Besetzung von Haydns Schöpfung in<br />

Biberach / Riß, 1802. Das Verzeichnis wurde nicht von Knecht geschrieben, wie ein Handschriftenvergleich belegt. Ausführlich beschrieben<br />

ist es in Günther: Singt dem Herren alle Stimmen; Günther: Ad Chorum Rothensem, 191f.<br />

1361<br />

Wortlaut des Textes und Anmerkungen dazu nach Günther: Singt dem Herrn alle Stimmen, 47f.

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