Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite
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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 45<br />
vertretung vor über 800 Gästen aus Politik, Diplomatie und Wirtschaft, darunter auch Baden-Württembergs<br />
Ministerpräsident Erwin Teufel.<br />
1.8. Der Ausfall der <strong>Fasnet</strong> 1991<br />
In fast ganz Deutschland fiel 1991 die <strong>Fasnet</strong> wegen des ersten Golfkrieges gegen den Irak aus 386 . Auslöser<br />
dieser Absage war eine Pressekonferenz des Mainzer Carneval Clubs, an deren Ende der Präsident des MCC,<br />
Bernd Mühl, auf die Frage eines Journalisten, wie er auf einen möglichen Krieg gegen Saddam Hussein<br />
reagieren würde, beiläufig antwortete, dass er es sich kaum vorstellen könne, im Falle eines Krieges die Fastnacht<br />
wie gewohnt zu feiern. Auch der Mainzer Carnevalsverein unter seinem Präsidenten Rudi Henkel schloss<br />
noch am gleichen Abend aus, dass es während eines Irak-Krieges einen Rosenmontagsumzug geben könne. Aus<br />
diesen beiden Ankündigungen entwickelte sich ab dem 8. Januar eine Medienkampagne von kritischen<br />
Journalisten gegen die Durchführung von <strong>Fasnet</strong>veranstaltungen, die eine kollektive Angstpsychose schürte;<br />
dazu kamen massive Bedenken der Sicherheitsbehörden, die die öffentliche Sicherheit an den <strong>Fasnet</strong>tagen bei<br />
möglichen Gegendemonstrationen nicht garantieren wollten. Als das Ultimatum gegen den irakischen Diktator<br />
Hussein am 17. Januar ablief und der Krieg begann, kippte das ZDF die am Abend geplante Sendung <strong>Die</strong> Narren<br />
sind los aus dem Programm und setzte damit ein Zeichen, an dem sich die anderen öffentlich-rechtlichen Sender<br />
orientierten, die nun alle närrischen Sendungen, darunter auch brauch- und kulturgeschichtliche <strong>Fasnet</strong>beiträge,<br />
absetzten. Jetzt sprachen sich auch viele Politiker dafür aus, angesichts der Zeitumstände auf das ausgelassene<br />
Feiern zu verzichten. Zahlreiche Zeitungen forderten die Absage der närrischen Tage und setzten die<br />
organisierten Narren weiter unter Druck, die wegen eines fehlenden Krisenmanagements nicht in der Lage<br />
waren, der veröffentlichten Meinung überzeugend entgegen zu treten und schließlich die <strong>Fasnet</strong> absagen<br />
mussten, was auch zu großen finanziellen Verlusten führte. Je näher jedoch die tollen Tage rückten und die<br />
Menschen sich an den Krieg, über den täglich stundenlang berichtet wurde, gewöhnten, desto größer war auch<br />
die Bereitschaft, trotz der offiziellen Absagen die <strong>Fasnet</strong> dennoch zu feiern, wenn auch mitunter in ungewohnter<br />
Freiheit von den sonst üblichen Zwängen des traditionellen Brauchtums.<br />
In Wolfach war bereits die erste Narrenversammlung am 9. Januar 1991 von den Ereignissen in der Golfregion<br />
überschattet 387 . Der damalige Narrenvater Albert Wöhrle schloss schon zu diesem Zeitpunkt nicht aus,<br />
dass die weltpolitischen Ereignisse kurzfristig den Narrenfahrplan beeinflussen könnten und eventuell die eine<br />
oder andere Veranstaltung abgesagt würde, doch hoffte er, dass sich das Schlimmste noch abwenden lassen<br />
könne und die <strong>Fasnet</strong> nicht beeinträchtigt würde. <strong>Die</strong> Narrenzunft habe sich noch nicht entschieden, wie sie im<br />
Falle eines Kriegsausbruches reagierte. Das Programm der <strong>Fasnet</strong> stehe jedenfalls fest und werde weiter vorbereitet.<br />
Das Narrenblättleteam zog am 12. Januar durch die Straßen und verkaufte das neue Narrenblättle; zwei<br />
weitere Verkaufstouren am 19. und 26. Januar waren geplant. Am 15. Januar gab es eine Besprechung des geplanten<br />
Festspiels Närrische Berufe in der Kegelbahn der Gastwirtschaft „Zum Herrengarten“ 388 . Am 16. / 17.<br />
Januar kündigten die Zeitungen den Musikerball an, der am 26. Januar unter dem Motto Im Reich der Dämonen<br />
den Reigen der <strong>Fasnet</strong>bälle eröffnen sollte 389 . Doch nach dem Beginn der Bombardierungen Iraks am 17. Januar<br />
verging den Narren die Lust auf die <strong>Fasnet</strong>. Der Kleine Narrenrat traf sich noch am gleichen Abend im Brezelbunker,<br />
dem Partykeller im Haus von Narrenvater Wöhrle, mit den Vereinsvorsitzenden des TV Wolfach und<br />
MGV Liederkranz, zuständig für den Turner- und Liederkranzball; sie einigten sich auf die Empfehlung, die<br />
<strong>Fasnet</strong> abzusagen 390 . Bereits bei der Zunftabendprobe am Tag zuvor hatte solch eine depressive Stimmung geherrscht,<br />
dass es den beteiligten Narren unvorstellbar erschien, eine fröhliche <strong>Fasnet</strong> zu feiern. <strong>Die</strong> närrische<br />
Dekorierung der Festhalle wurde abgeblasen. Der Narrenvater schloss während des Krieges <strong>Fasnet</strong>veranstaltungen<br />
aus, doch hielt sich bei der Narrenzunft ein Rest Hoffnung, dass der Krieg noch vor der Hauptfasnet<br />
zu Ende sein könnte 391 .<br />
Das Offenburger Tageblatt kündigte am 18. Januar an, die sonst gewohnte <strong>Fasnet</strong>berichterstattung nicht zu<br />
bieten, unabhängig davon, ob die Narrenzünfte ihre Veranstaltungen durchführten oder nicht 392 , doch hatten da<br />
bereits die meisten Zünfte ihre <strong>Fasnet</strong> abgesagt.<br />
Am 19. Januar war zu lesen, dass die an jenem Tage vorgesehene Narrenversammlung abgesagt sei und der<br />
Kleine Narrenrat der Freien Narrenzunft Wolfach zu einer öffentlichen Versammlung in die Gastwirtschaft<br />
„Zum Kreuz“ einlade; da es um den weiteren Verlauf der <strong>Fasnet</strong> ginge, seien besonders die Mitglieder des<br />
Großen Narrenrates zur Teilnahme aufgefordert 393 . <strong>Die</strong> versammelten Narren beschlossen bei der Sitzung<br />
386<br />
Über die Entwicklungen, die zu der Absage geführt haben, siehe: Wenn die Narren Trauer tragen; Schenk: „Das wird uns nicht mehr<br />
passieren“; Mezger: „Der Ausfall von Fastnacht ist nichts Neues...“. – Nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 gab es<br />
ebenfalls Forderungen nach einer Absage der <strong>Fasnet</strong>, doch konnte dies damals noch abgewendet werden. Baden-Württemberg. Das Land<br />
der Fastnacht, 14, 17. – Vgl. Schrader: Unerschrockene feiern trotzdem; Schrader: Ein bisschen feiern sie dann doch.<br />
387<br />
Schwabo vom 11.1.1991; OT vom 11.1.1991.<br />
388<br />
Schwabo vom 15.1.1991.<br />
389<br />
Schwabo vom 16.1.1991; OT vom 17.1.1991.<br />
390<br />
OT vom 18.1.1991.<br />
391<br />
Schwabo vom 19.1.1991.<br />
392<br />
OT vom 18.1.1991.<br />
393<br />
Schwabo vom 19.1.1991.