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Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 80<br />

2.2.2. Landsknechte des Grafen Konrad von Wolva<br />

<strong>Die</strong> Landsknechte gehören neben den Hanseln zu den ältesten <strong>Fasnet</strong>gestalten in Wolfach, die früher allerdings<br />

nicht jedes Jahr zu sehen waren. Ursprünglich traten sie nur dann in Erscheinung, wenn ein <strong>Fasnet</strong>spiel mit<br />

einem passenden Thema zur Aufführung kam, beispielsweise 1849 Don Quijote und Sancho Pansa, 1888 die<br />

Belagerung und Erstürmung der Burg Lichtenstein, 1889, 1898 und 1905 der Jagdzug des Grafen von<br />

Geroldseck. Eine Fotografie von der Aufführung des Spiels Wallensteins Lager (frei nach Schiller) von 1897<br />

zeigt 660 , mit welch großem Aufwand die Kostüme der Landsknechte bereits anno dazumal ausgestattet waren.<br />

Aus jener Zeit existiert noch eine Uniform aus dem Besitz der Familie Sandfuchs. Als Vorbild für die Gestaltung<br />

dienten die bei der Schaffung eines stehenden Heeres unter Kaiser Maximilian I. (1459-1519) eingeführten, zu<br />

Fuß kämpfenden Söldner, die aus den eigenen kaiserlichen Landen geworben wurden und deshalb den Namen<br />

Landsknechte erhielten 661 .<br />

1924 schrieb Albert Sandfuchs sen. das <strong>Fasnet</strong>lied Der <strong>Wolfacher</strong> Durscht und erschuf damit die Figur des<br />

Grafen Konrad von Wolva 662 , der 1927 beim Festspiel Völkertagung am Hofe Graf Konrads des Durstigen von<br />

Josef Krausbeck seinen ersten großen Auftritt hatte, begleitet von seinem Gefolge in Landsknechtsuniformen 663 .<br />

Wie auf einer Fotografie des Festzugs zu sehen ist, gab es damals einen berittenen Landsknecht, der ein aus Holz<br />

und Stoff gebautes Pferd mit sich trug 664 . Ihren zweiten Auftritt hatten Graf Konrad und seine Burgbesatzung am<br />

Schellementig 1928 beim Festspiel <strong>Die</strong> Belagerung der Burg Wolfach durch Raubritter Stephan von Bulach und<br />

Hasensprung 665 .<br />

Glasmaler Georg Straub schuf zu jener Zeit eine Zeichnung des durstigen Grafen Konrad, die auch als Vorbild<br />

für eine Narrenfahne diente 666 .<br />

Bei der Ausgestaltung des <strong>Fasnet</strong>usrufe spielten die Landsknechte eine große Rolle. <strong>Die</strong>ser Brauch wird<br />

erstmals 1891 schriftlich erwähnt 667 , dürfte aber wesentlich älter sein, denn vor dem Erscheinen der ersten<br />

<strong>Wolfacher</strong> Zeitung 1865 war das Verkündigen von Nachrichten mit Trommelschlag noch eine allgemein übliche<br />

Form der Bekanntmachung, wie jene Aktennotiz von 1816 zeigt, nach der der Polizeidiener auf Befehl des<br />

Bürgermeisters ausschellen und verkündigen musste, dass die Narrenzunft niemand solle etwas leids tun 668 .<br />

Vielleicht entstand das <strong>Fasnet</strong>usrufe bereits damals als närrische Reaktion auf diese Verkündigung.<br />

Bis zum 1. Weltkrieg riefen jeweils am <strong>Fasnet</strong>sunntig einige Obernarren zu Fuß und zu Pferd die <strong>Fasnet</strong> aus.<br />

1925 zog bereits am Schmutzige Dunnschtig Prinz Karneval mit seinem Gefolge in prächtigen Kostümen und<br />

auf geschmückten Wagen, begleitet von der Narrenkapelle, in die Stadt und ließ durch einen Herold die Ankunft<br />

der <strong>Fasnet</strong> verkünden. In den 1930er-Jahren ritten am Schmutzige Dunnschtig um 13:30 Uhr meist mehrere<br />

mittelalterlich gekleidete Herolde hinter einer kleinen Trommlerabteilung in die Stadt, begleitet von einigen<br />

Hanseln und anderem Narrenvolk. Der erste Herold entfaltete an den Verkündstellen, wo früher auch der Nachtwächter<br />

seine Stundenrufe ertönen ließ 669 , ein riesiges Pergament, um die <strong>Fasnet</strong> auszurufen. 1937 verkündete<br />

Narrenvater Erwin Haas als <strong>Wolfacher</strong> Hansel seinem närrischen Gefolge, dass der Narrogeist seine Herrschaft<br />

angetreten habe.<br />

Nach dem 2. Weltkrieg rief von 1949 bis 1951 und 1956 ein Herold in Landsknechtsuniform die <strong>Fasnet</strong> aus,<br />

von 1952 bis 1955 und 1957 ein Narrenpolizist; den Text dazu verfasste 1949 Hans Sartory, der Schützenstüble-<br />

Hans 670 . Den 1954 auf den Mittwoch vor der <strong>Fasnet</strong>, den damals so genannten Mageren Mittwoch, verlegten<br />

Brauch übernahm 1958 die sechs Jahre zuvor von Sartory gegründete Landsknechtsgruppe. Ihre Kostüme<br />

stammten noch aus der Vorkriegszeit und entstanden ursprünglich für <strong>Fasnet</strong>spiele. Sechs neue Uniformen in<br />

den Stadtfarben Gelb und Blau ließ Sartory 1960 von Schneidermeister Franz Hacker schneidern 671 . Zwei Jahre<br />

später ritt Sartory letztmals hoch zu Roß um die Stadt, seit 1963 fährt eine zunächst vom Stadtbulldog, später<br />

von einem eigenen Landsknecht-Traktor gezogene Burg beim <strong>Fasnet</strong>usrufe mit, von der aus das schier siebentägige<br />

Fest verkündet wird. 1982 wurde die Burg durch eine neue ersetzt. Außer beim <strong>Fasnet</strong>usrufe ist sie auch<br />

bei den Narrentreffen vor der <strong>Fasnet</strong> sowie beim Festzug am Schellementig zu sehen.<br />

Nachdem zunächst nur wenige Hansel dem von den Landsknechten mit Fackeln illuminierten Umzug<br />

folgten, entwickelte er sich schließlich zum offiziellen Beginn der Straßenfasnet mit allen Hästrägern. 1969<br />

übernahm Fritz Tappert die Leitung der Landsknechte, die sich nach und nach neue wertvolle Kostüme aus Samt<br />

– gelb-blau, grün-rot und rot-gelb geflammt – nähen ließen. Seither gibt es auch die Trosswiiber, die ein<br />

660<br />

Abbildung in Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 30.<br />

661<br />

Grimm: Deutsches Wörterbuch XII, 137f., s. v. Landsknecht.<br />

662<br />

Zum <strong>Wolfacher</strong> Durst siehe Abschnitt 4.1.3 Der <strong>Wolfacher</strong> Durscht.<br />

663<br />

Schrader: <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>lieder, 187f.<br />

664<br />

Eine vergleichbare Narrenfigur ist das Brieler Rössle in Rottweil.<br />

665<br />

<strong>Wolfacher</strong> Fastnachtsspiele einst und heute, 22.<br />

666<br />

Abbildung der Straub’schen Zeichnung auf der Titelseite des <strong>Wolfacher</strong> Narrenblättles 33 (2003).<br />

667<br />

Zur Geschichte des <strong>Fasnet</strong>usrufe siehe Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 53f.<br />

668<br />

Disch: Chronik Wolfach, 445.<br />

669<br />

<strong>Die</strong> Verkündstellen des <strong>Fasnet</strong>usrufens entsprechen den Stationen des Wohlaufs, siehe Abschnitt 2.2.1 Wohlauf.<br />

670<br />

Sartory war Wirt der Gastwirtschaft „Schützenstüble“ in der Vorstadtstraße 39. – Der Text ist im Anhang zu diesem Abschnitt zu finden.<br />

671 Zu Franz Hacker siehe Anmerkung 445.

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