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Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite

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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 22<br />

ging außerdem metonymisch auf die in einem Geldbeutel befindlichen römischen Münzen über 139 . Das Wort<br />

entstammt dem idg. *b h el-, *b h lē- ‚aufblasen, aufschwellen, schwellen, sprudeln, strotzen, prall sein’, aus dem<br />

sich auch Blatter und Blase ableiten lassen 140 . Es geht hier also nicht, wie Mezger behauptet, um die Inhaltslosigkeit<br />

des bezeichneten Gegenstandes, sondern vielmehr um seine Aufgeblasenheit; er zeichnet sich also<br />

gerade dadurch aus, dass er nicht leer ist. <strong>Die</strong>s zeigt sich auch deutlich an dem aus der gleichen idg. Wurzel<br />

stammenden gr. Wort fallÒ$ ‚Phallus, (erigiertes) männliches Glied’ 141 , das nun zweifellos alles andere als ein<br />

‚leerer Sack’ ist. Ideengeschichtlich passt diese Wortverwandtschaft auch viel besser zur <strong>Fasnet</strong> als kirchlichem<br />

Schwellenfest, an dem sich die Narren vor der Fastenzeit nochmals in körperlicher Hinsicht ausleben konnten.<br />

Das <strong>Fasnet</strong>verbot der fürstenbergischen Landesordnung wurde 1788 offiziell aufgehoben, doch musste jeder,<br />

der sich an der <strong>Fasnet</strong> beteiligen wollte, für die drei <strong>Fasnet</strong>tage zusammen 18 kr, nämlich pro Tag 6 kr<br />

(≈ 6,30 € 142 ), bezahlen und sich ein auf dem Maskenkleid leicht sichtbar festzumachendes Zeichen lösen; diejenigen,<br />

welche ohne Einlösung eines Zeichens auf den Gassen maßkierter erfunden wurden, waren zu 1 fl Straf<br />

anzuziehen 143 . Wolfach übertraf schon damals bei der fasnetlichen Aktivität deutlich das benachbarte Hausach.<br />

Während dort 1789 über die <strong>Fasnet</strong> 15 Köpfe masquiert herumlaufen, sind es in Wolfach 154 Narren, die einen<br />

Betrag von 15 fl 14 kr (959,70 €) an die Armenkasse entrichten müssen 144 . 1808 betrugen die Taxen in Wolfach<br />

16 fl 24 kr, in Hausach nur 3 fl 12 kr 145 .<br />

Gemäß der 1790 von Fürst Joseph Maria Benedikt von Fürstenberg (1758-1796) erlassenen hochfürstlich<br />

fürstenberg. Verordnung über die Stadt- und Landschulen 146 war den Schulkindern, deren Schuljahr vom 3.<br />

November bis zum 8. September dauerte, wöchentlich ein Tag, als der Donnerstag, in der Fastnacht aber und in<br />

der Charwoche die letzten drei Tage zur Erholung gegönnet 147 – sozusagen eine frühe Form der heute am<br />

Schmutzige Dunnschtig vor der Elfemess gefeierten Schülerbefreiung.<br />

Aus den genannten Quellen des 18. Jahrhunderts geht hervor, dass das <strong>Fasnet</strong>brauchtum zu jener Zeit an drei<br />

Tagen gefeiert wurde. Für die von José F. A. Oliver verbreitete Behauptung, an der <strong>Fasnet</strong> werde an sechs<br />

Tagen, an denen ursprünglich Gott die Erde als sein Werk schuf, dem Spiel der Hölle Tür und Tor geöffnet 148 ,<br />

gibt es keinen Beleg. Bereits Papst Benedikt XIV. (1675-1758) verbot in einer 1748 veröffentlichen Enzyklika<br />

explizit das Tragen von Larven am <strong>Fasnet</strong>freitag und -sonntag 149 , obwohl er gegenüber dem übrigen <strong>Fasnet</strong>brauchtum<br />

durchaus positiv eingestellt war. <strong>Die</strong> Ausweitung des <strong>Fasnet</strong>brauchtums auf den Freitag, Samstag und<br />

Sonntag der <strong>Fasnet</strong>woche ist eine neuzeitliche Entwicklung, gefördert durch die im 19. Jahrhundert einsetzende<br />

Industrialisierung mit ihren weitreichenden Folgen für das früher in erster Linie von der Kirche geprägte Sozialverhalten<br />

der Menschen.<br />

Von den im 18. Jahrhundert erwähnten Larven, die damals im Gegensatz zu heute noch nicht mit einem bestimmten<br />

Hästyp eine feste Einheit bildeten 150 , sind einige erhalten geblieben, die teilweise als Vorbild dienten<br />

bei der Erneuerung der <strong>Fasnet</strong>figuren im 20. Jahrhundert (Tabelle 1) 151 . Wer seinerzeit die Larven schnitzte, ist<br />

nicht bekannt; ein Hinweis darauf, woher die Larven stammen, könnte allerdings sein, dass die Holzfigur des Hl.<br />

Josef in der Stadtkirche Wolfach aus der Werkstatt der Villinger Holzschnitzerfamilie Schupp stammt 152 , die<br />

nachweislich auch Larven für die Villinger <strong>Fasnet</strong> schnitzte 153 .<br />

139 Zedler: Grosses Vollständiges Univeral Lexicon IX, 1436f., s. v. Follis.<br />

140 Köbler: Indogermanisches Wörterbuch, s. v. *b h el- (3); Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 145, s. v. blasen, 146, s. v. Blatter.<br />

141 Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 1001, s. v. Phallus; Derks: <strong>Die</strong> Schande der heiligen Päderastie, 113 Anmerkung 14. –<br />

Johann Wolfgang Goethe klagt in einem 1790 in Venedig entstandenen, aber erst 1914 veröffentlichten Epigramm:<br />

Gib mir statt »Der Sch ....« ein ander Wort, o Priapus,<br />

Denn ich Deutscher, ich bin übel als Dichter geplagt.<br />

Griechisch nennt ich dich fallo$, das klänge doch prächtig den Ohren,<br />

Und lateinisch ist auch mentula leidlich ein Wort.<br />

Mentula käme von mens, der Sch .... ist etwas von hinten,<br />

Und nach hinten war mir niemals ein froher Genuß.<br />

Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky, 167.812. – Zu diesem Epigramm vgl. Derks: <strong>Die</strong> Schande der heiligen Päderastie, 111-<br />

139.<br />

142<br />

1 fl = 60 kr ≈ 63 €; 1 kr ≈ 1,05 €. Zu Geldwert und Kaufkraft im 18. Jahrhundert siehe Wolff: Johann Sebastian Bach, 578-580.<br />

143<br />

Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

144<br />

Disch: Chronik Wolfach, 444.<br />

145<br />

Disch: Chronik Wolfach, 445.<br />

146<br />

Disch, Chronik Wolfach, 314.<br />

147<br />

Disch, Chronik Wolfach, 323.<br />

148<br />

Leibbrand: Vom Sinn der Fastnacht, 55.<br />

149<br />

Moser, D.-R.: Ein Babylon der verkehrten Welt, 16.<br />

150<br />

Krausbeck: <strong>Fasnet</strong>erinnerungen von Adelheid Moser.<br />

151<br />

Vgl. hierzu Wagner: <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>. – Im Besitz des Freiburger Augustinermuseums befinden sich zwei <strong>Wolfacher</strong> Holzlarven, die<br />

dort als Chäslarven bezeichnet werden. Mitteilung von J. Krausbeck vom 14.3.1987. – Vom 18.12.2004 bis zum 28.3.2005 war in der<br />

vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe organisierten Ausstellung Entlarvt! Von Masken und Maskeraden neben den historischen<br />

Larven aus dem Museum Schloss Wolfach auch ein <strong>Wolfacher</strong> Schellenhansel zu sehen. Seim: Entlarvt! Von Masken und Maskeraden,<br />

50, 54, 70f., 74, 78, 84; Langer: Der Mensch und seine Maske, 20.<br />

152<br />

Der Hl. Josef wird Johann Schupp (1631-1713) zugeschrieben. Stüble / Schmider: <strong>Die</strong> katholische Pfarrgemeinde, 104f. – Eine dem<br />

<strong>Wolfacher</strong> Josef sehr ähnliche Holzfigur mit dem Jesuskind von Johann Schupp findet sich in der Benediktinerkirche in Villingen.<br />

153<br />

Jakel: Der Narrenschopf Bad Dürrheim.

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