Die Wolfacher Fasnet - Netz-Seite
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Schrader: <strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong> und ihre Gestalten <strong>Seite</strong> 36<br />
Kampfe mit den Engländern geworben wird. Das Spiel selbst dürfte als Reflex auf die damalige Kolonialzeit<br />
entstanden sein 305 . Der in dem Spiel mitwirkende Robinson trug einen baumwollenen, abwechselnd mit einem<br />
von Palmen umgebenen Löwen und einem Adler mit Blumenkorb verzierten Schirm, der sich heute im Bestand<br />
des Museums Schloss Wolfach befindet 306 .<br />
<strong>Die</strong> <strong>Wolfacher</strong> feiern seit der Einweihung des Narrenbrunnens 1970 alle fünf Jahre das Dammfest 307 ; bis<br />
1990 fiel deshalb jeweils in jenen Jahren das Festspiel auf dem Marktplatz aus. Seit 1996, als das Dammfest<br />
ausnahmsweise wegen des Narrentreffens 1995 außerhalb des üblichen Fünf-Jahres-Rhythmus’ stattfand, gibt es<br />
auf einer Bühne beim Gassensteg ein kleines Dammfestspiel. Im Jahr 2010 wurde das Dammfest erstmals in den<br />
Schlosshof verlegt, das Festspiel fand deshalb wie üblich vor dem Rathaus statt.<br />
Für einige Aufregung unter den Narren sorgte 1994 der Vorschlag von Bürgermeister Gottfried Moser, statt<br />
der über Jahrzehnte hinweg bewährten Festspielbühne aus Holz eine neue mobile Bühne auf Metallträgern anzuschaffen,<br />
um die Kosten für den Auf- und Abbau zu reduzieren 308 . Aus finanziellen Gründen kam es dann aber<br />
1996 nur zum Kauf einer Bühne, die für die <strong>Fasnet</strong>spiele viel zu klein und zu niedrig ist. <strong>Die</strong> Narrenzunft muss<br />
deshalb seit der <strong>Fasnet</strong> 1997 jeweils eine Zusatzbühne für ihre Aufführungen anmieten. Auch musste eine zusätzliche<br />
Rampe gebaut werden, damit nach dem Kinderumzug der Bretschelhansel auf die Bühne gefahren<br />
werden kann.<br />
Nicht immer gelang die Durchführung der <strong>Fasnet</strong>spiele wie geplant: 1848 verbot das Oberamt den Krähwinkler<br />
Landsturm wegen Revolutionsgefahr, zumal sich die Teilnehmer in der Gastwirtschaft „Straßburger<br />
Hof“ trafen, die auch unter den Revolutionären ein beliebter Treffpunkt gewesen war 309 . Der Titel des Spiels<br />
geht vermutlich auf den als Krähwinkler Landsturm bezeichneten Mainzer Rosenmontagszug von 1837 zurück,<br />
aus dem die dortige Ranzengarde entstand 310 . Der Ortsname Krähwinkel als Sinnbild einer spießbürgerlichen<br />
Kleinstadt taucht erstmals in August von Kotzebues Lustspiel <strong>Die</strong> deutschen Kleinstädter von 1803 auf 311 . In<br />
Heines Ideen. Das Buch Le Grand von 1826/27 wird Krähwinkel neben Schilda, Polkwitz, Beckum, Dülken,<br />
Göttingen und Schoppenstädt als eine von sieben bekannten Narrenstädten genannt 312 .<br />
Aus Mangel an Betheiligung und der Kürze der Zeit konnte 1886 das projektierte Fastnachtsspiel nicht stattfinden<br />
313 . Auf dem Festspielplakat von 1889 verkündeten die Narren hingegen 314 :<br />
Da die Brücken und Wege, welche vom Rippoldsauer Eisgang weggerissen wurden, wieder hergestellt sind,<br />
ist keine Gefahr mehr vorhanden und kann die Narrenstadt ohne jede Störung erreicht werden.<br />
Wegen der Correktion der Wasserleitung verschoben die Narren das für 1899 vorgesehene Ritterspiel um ein<br />
Jahr. 1913 führte ein schweres Explosionsunglück beim Wegebau im Siechenwald mit vier Toten und vielen<br />
Schwerverletzten zur Absage des Spiels 315 , die anderen Bräuche aber, auf die ein richtiger <strong>Wolfacher</strong> nie und<br />
nimmer verzichten wird, sollten in altgewohnter Weise abgehalten werden 316 . Das Internationale Musikfest 1929<br />
musste wegen der großen Kälte von –10 Grad verkürzt werden 317 . Das Spiel Der Weiberstreit geriet 1939 in die<br />
Wirren politischer Meinungsverschiedenheiten, deren Schlichtung bis zur Gauleitung der NSDAP nach Karlsruhe<br />
gehen musste, von wo aus dann das Spiel den Fanatikern vor Ort regelrecht befohlen wurde 318 . <strong>Die</strong> Narrenzunft<br />
verzichtete 1954 freiwillig auf das Festspiel mit der Absicht, das Engagement der Narren auf die anderen<br />
<strong>Fasnet</strong>bräuche zu konzentrieren; der Festzug stand unter dem Motto <strong>Wolfacher</strong> <strong>Fasnet</strong>gestalten. Große Kälte<br />
führte 1956 zur Verlegung des Groß-Varietés Schnuppdiwupp vom Marktplatz in die Schlosshalle. Wegen<br />
starken Regens fiel 1958 das Spiel Der Narrogeist im Faß buchstäblich ins Wasser; einige der Festspielgruppen<br />
nahmen deshalb am <strong>Fasnet</strong>zieschtig am Kinderumzug teil, der ausnahmsweise von der Vorstadtstraße zum Stadttor<br />
führte. Das Spiel wurde im Jahr darauf nachgeholt. Der Forscher- und Erfinderkongress 1984 musste un-<br />
Figuren und Mustern’. Das Wort stammt aus dem algonkin-indianischen wanpanpiag, zu wab ‚weiß’ und umpe ‚Schnur’. Meyerscout<br />
2003, s. v. Wampum; Wahrig: Deutsches Wörterbuch, 4069, s. v. Wampum. – August von Kotzebue schrieb das orientalische Scherzspiel<br />
mit Gesang Sultan Wampum oder <strong>Die</strong> unbesonnenen Wünsche, das mehrfach als Vorlage für Opern benutzt wurde, beispielsweise<br />
1794 von Maciej Kamienski (1734-1821), 1795 von Karl Ditters von Dittersdorf (1739-1799) sowie 1800 von Jósef Elsner (1769-1854).<br />
Das Stück scheint jedoch nicht als Vorlage für das <strong>Wolfacher</strong> Festspiel gedient zu haben. Schneider, M.: Deutsches Titelbuch, 681 Nr.<br />
19; MGG VII, 470; III, 593; XVI, 74.<br />
304<br />
Papua ‚Bezeichnung für die Ureinwohner Neuguineas, des Bismarckarchipels, der Salomon- und benachbarter Inseln’. Meyerscout 2003,<br />
s. v. Papua.<br />
305<br />
Meyers Konversationslexikon XII, 82-84, s. v. Neuguinea.<br />
306<br />
Museum Schloss Wolfach, Inventar-Nr. 1989/65.<br />
307<br />
Zum Dammfest siehe Abschnitt 2.5 Narrenbrunnen.<br />
308<br />
Bericht im Schwabo vom 12.11.1994.<br />
309<br />
Schrader: 1848/49, 328.<br />
310<br />
<strong>Die</strong> Mainzer Fastnacht. – Johann Nestroys Posse Freiheit in Krähwinkel erlebte erst am 1.7.1848 ihre Uraufführung, kann also nicht als<br />
Vorlage für das <strong>Wolfacher</strong> Festspiel gedient haben. Deutsche Literatur von Luther bis Tucholsky, 415.100.<br />
311<br />
Grimm: Deutsches Wörterbuch XI, 1975, s. v. Krähwinkel.<br />
312<br />
Derks: Dülken und Beckum, 167.<br />
313<br />
Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 30.<br />
314<br />
Ein Exemplar das Plakats hängt in der Narrenkammer.<br />
315<br />
Der damals gebaute Weg erhielt den Namen Unglücksweg.<br />
316<br />
Schrempp, O.: Eine Reise in die närrische Vergangenheit, 30f.<br />
317<br />
Krausbeck: Närrisches Gedenken.<br />
318<br />
Krausbeck: Fasnächtliche Jubiläums-Erinnerungen; Krausbeck: Närrisches Gedenken.