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Arbeitsmarkt Kultur - Kupf

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... Martin Böhm und Katharina Siegl<br />

Rousseaus „edlen Wilden“ als Gegensatz zum vernunftgeleiteten Menschen als „Mensch ohne<br />

Herz“ den Widerspruch zwischen dem Ideal einer „kultivierten Seele“ und der Zivilisation als<br />

bloße Äußerlichkeit und „mechanische Bildung“. Er verstand <strong>Kultur</strong> primär als eine „cultura<br />

animi“ im Sinne einer sittlichen Bildung, was auch bei Schiller so zu finden ist (Zembylas<br />

2004: 26). In diesem engen Sinne bezog sich <strong>Kultur</strong> auf die Künste und die Wissenschaft,<br />

Arbeit und Technik wurden ausgegrenzt. Knapp (2005: 23) zitiert Bollenbeck, der diesen<br />

Wandel des <strong>Kultur</strong>begriffs als ein „typisch deutsches Deutungsmuster“ versteht, mit dem ein<br />

von den ökonomischen und politischen Umwälzungen in Europa irritiertes Bürgertum einen<br />

Ort des Rückzugs und ein Hoffen auf Reform durch Bildung ausdrückt. Damit erhielt der<br />

<strong>Kultur</strong>begriff eine „apolitische, vielleicht sogar antipolitische Stoßrichtung“ und durch diese<br />

„spezifische vom deutschen Bildungsbürgertum geprägte Sichtweise [...] wurden „<strong>Kultur</strong>“<br />

und „Zivilisation“ zum Gegensatzpaar“ (Knapp 2005: 23 zit. Elias nach Thadden 1996 und<br />

Schnell 2000).<br />

Diese neuhumanistische und idealistische Deutung des <strong>Kultur</strong>begriffes bleibt bis in die<br />

Gegenwart im Alltagsverständnis von <strong>Kultur</strong> wirksam und versteht diese als „Hochkultur“<br />

mit ihren Ausprägungen Bildende und Darstellende Kunst, Literatur, Musik und Architektur<br />

(vgl. Klein 2003: 34ff).<br />

Mit der Entstehung der Sozialwissenschaften im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert<br />

wurden „<strong>Kultur</strong>en“ im Plural Gegenstand eines wissenschaftlichen Diskurses. Im Anschluss<br />

an Hegel wurde „<strong>Kultur</strong>“ als die Summe aller „Objektivationen des Geistes“ verstanden,<br />

später als Produkt des Gemeinwesens mit seinen menschlichen Werken und sozialen<br />

Handlungen. Im frühen 20. Jahrhundert untersuchten Georg Simmel und Max Weber die<br />

<strong>Kultur</strong> als System von Normen, Institutionen und Praktiken, welches das Zusammenleben<br />

durch relativ stabile Wirklichkeitskonstruktionen strukturiert und identitätsstiftende<br />

Distinktionskriterien schafft (vgl. Zembylas 2004: 28f). Diese Distinktionskriterien haben<br />

festigende Wirkungen auf Macht und Herrschaft, insofern wurde die Rolle von <strong>Kultur</strong> als<br />

Instrument der Herrschaft betont. Bedeutende Theorien dazu sind Antonio Gramscis Konzept<br />

der kulturellen Hegemonie (unter Verwendung eines weiten <strong>Kultur</strong>begriffs), Max<br />

Horkheimers und Theodor W. Adornos Kritik an der <strong>Kultur</strong>industrie (unter Verwendung<br />

eines engen <strong>Kultur</strong>begriffs) und die Theorien zum Habitus und zum kulturellen Kapital von<br />

Pierre Bourdieu (denen wiederum ein weiterer <strong>Kultur</strong>begriff zugrunde liegt) (vgl. Knapp<br />

2004: 23ff).

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