Lernen für den GanzTag - GanzTag in NRW
Lernen für den GanzTag - GanzTag in NRW
Lernen für den GanzTag - GanzTag in NRW
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
6<br />
modul 08 | Individuelle Förderung – Chancen, Möglichkeiten, Anforderungen<br />
basistext: dimensionen und strategien <strong>in</strong>dividueller förderung<br />
1. Warum IndIvIduelle förderung?<br />
Kaum e<strong>in</strong> Lehrer muss heute noch davon überzeugt<br />
wer<strong>den</strong>, dass <strong>Lernen</strong> e<strong>in</strong> höchst <strong>in</strong>dividueller Prozess<br />
ist, der differenzierte Angebote und Unterstützung,<br />
aber auch gezielte Förderung benötigt. Andererseits<br />
klagen viele Lehrer <strong>in</strong> allen Schulformen<br />
über enorme Leistungsunterschiede, die durch die<br />
Ergebnisse von PISA nachdrücklich bestätigt wur<strong>den</strong>.<br />
Nicht selten steht h<strong>in</strong>ter diesen Klagen auch<br />
der Wunsch nach mehr homogenität beim Leistungsstand<br />
und nach mehr E<strong>in</strong>heitlichkeit bei der<br />
Gestaltung des Unterrichts. Dieser Wunsch hat e<strong>in</strong>e<br />
lange Tradition. E<strong>in</strong>e Ursache besteht dar<strong>in</strong>, dass<br />
das gegliederte deutsche Schulwesen auf heterogenität<br />
vorrangig mit Verfahren reagiert, die sich<br />
schon seit langem als eher untauglich erwiesen<br />
haben, weil sie <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf homogenisierung<br />
orientieren und die soziale Selektion manifestieren.<br />
Die zunehmen<strong>den</strong> Bemühungen um <strong>in</strong>dividuelle<br />
Förderung im Rahmen schulischer Lernprozesse<br />
stoßen demzufolge immer wieder und immer noch<br />
auf Zweifel an ihrer Realisierbarkeit, auf bildungspolitische<br />
Zwänge zu äußerer Differenzierung, dem<br />
Wunsch nach ger<strong>in</strong>geren Leistungsunterschie<strong>den</strong><br />
zwischen <strong>den</strong> <strong>Lernen</strong><strong>den</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Klasse und zahlreiche<br />
ungünstige Rahmenbed<strong>in</strong>gungen des Unterrichts.<br />
Deshalb sollen zunächst <strong>in</strong> knapper Form grundlegende<br />
Argumente zur Notwendigkeit <strong>in</strong>dividueller<br />
Förderung beim schulischen <strong>Lernen</strong> vorangestellt<br />
wer<strong>den</strong>, um deren Verständnis immer wieder aufs<br />
Neue gerungen wer<strong>den</strong> muss, wenn die <strong>Lernen</strong><strong>den</strong><br />
erfolgreich <strong>in</strong>dividuell gefördert wer<strong>den</strong> sollen.<br />
Ohne gründliche Ause<strong>in</strong>andersetzung mit <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong><br />
Thesen erreichen die vielfältigen Anstrengungen<br />
um <strong>in</strong>dividuelle Förderung nicht die möglichen<br />
Wirkungen.<br />
1 | vgl. Lange 2003, S. 36<br />
2 | vgl. Paradies/L<strong>in</strong>ser 2001<br />
Die Orientierung des Unterrichts am „Durchschnitt“<br />
beschränkt die Fördermöglichkeiten<br />
Seit se<strong>in</strong>em Bestehen hat das gegliederte deutsche<br />
Schulwesen mit zahlreichen Formen äußerer<br />
Leistungsdifferenzierung (Zuordnung zu verschie<strong>den</strong>en<br />
Schulformen, Bildungsgängen, Leistungskursen,<br />
Jahrgangsstufen) e<strong>in</strong>e Fiktion suggeriert: Es<br />
sei möglich, e<strong>in</strong>igermaßen homogene Lerngruppen<br />
zu bil<strong>den</strong>, <strong>in</strong> <strong>den</strong>en gleiche Lernanforderungen auf<br />
weitgehend e<strong>in</strong>heitlichen Lernwegen erfolgreich realisiert<br />
wer<strong>den</strong> können. Dass dies nicht funktioniert<br />
und nicht funktionieren kann, ist eigentlich schon<br />
lange klar. Es gibt sogar gute Gründe, dies <strong>für</strong> die<br />
entschei<strong>den</strong>de Schwäche des deutschen Bildungswesens<br />
zu halten 1 .<br />
Fatal ist vor allem, dass dieser Wunsch nach homogenisierung<br />
von Lernprozessen zum Leitbild vieler<br />
Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer gewor<strong>den</strong> ist und auch<br />
deren Umgang mit heterogenität im Unterricht<br />
bestimmt. Die <strong>in</strong> der Literatur ausführlich beschriebenen<br />
Formen zur Differenzierung unterrichtlichen<br />
<strong>Lernen</strong>s 2 wer<strong>den</strong> dann vor allem zur homogenisierung<br />
der Leistungsvoraussetzungen <strong>in</strong> der Lerngruppe<br />
e<strong>in</strong>gesetzt. Sie wer<strong>den</strong> aus dieser Sicht<br />
als notwendige, aber lediglich zeitweilige Schritte<br />
angesehen und realisiert, die auf das unterschiedliche<br />
Leistungsniveau der <strong>Lernen</strong><strong>den</strong> reagieren. Vor<br />
allem aber sollen sie die Voraussetzungen da<strong>für</strong><br />
schaffen, möglichst schnell wieder zum e<strong>in</strong>heitlich<br />
gestalteten Lernprozess, zu <strong>den</strong> von der Lehrkraft<br />
vorgeschriebenen Lernwegen zurückzukehren, die<br />
sich am „durchschnittlich“ <strong>Lernen</strong><strong>den</strong> orientieren,<br />
so die weit verbreitete trügerische hoffnung vieler<br />
Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer.<br />
Die alltägliche Unterrichtspraxis bestätigt, dass es<br />
<strong>den</strong> „durchschnittlich“ <strong>Lernen</strong><strong>den</strong> nicht gibt, dass<br />
auf diese Weise <strong>in</strong>dividuelle Lernprozesse nicht<br />
im erforderlichen Maße unterstützt wer<strong>den</strong> und<br />
über andere Förderkonzepte nachgedacht wer<strong>den</strong><br />
muss.