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Ivars Orehovs. Savçjais un sveðais – zeme un ïaudis daþos baltieðu izcelsmes kultûrvçsturiskos ..<br />
233<br />
Twerien und Moscowien. Die Reise selbst wurde Ende des Jahres 1673 ausgeführt,<br />
die Veröffentlichung aber – wahrscheinlich aufgrund der Bemerkungen – erst im Jahre<br />
1702 realisiert (die Ursachen dieser zeitlichen Distanz sind noch ungeklärt).<br />
Der Struktur nach sieht man hier eine ziemlich deutliche Aussonderung des<br />
Eigenen, d.h. der Darlegung des Reiseverlaufs – als eines Rechenschaftsberichtes<br />
über zurückgelegte Wegstrecken, Speisungs– und Übernachtungsstellen, aber auch<br />
kurzer Angaben über die Lage der Wege (z.B., übler, ziemlich böser, sumpfiger,<br />
ziemlich guter Weg) und militärisch solide, genaue Beschreibungen fremder<br />
Verteidigungsanlagen wie z.B. Bollwerke usw. Eine literarisch karikierende Tendenz<br />
hat z.B., die Schilderung der diplomatischen Begegnung an der russischen Grenze<br />
zwischen dem Abgesandten und dem vom Zaren abgeordneten Pristaff aus Plescow,<br />
der 4 Tage auf sich warten läßt. 10<br />
Den eigentlichen kulturhistorischen Wert der Erkenntnis des Fremdenwesens<br />
haben diejenigen Kapitel, wo der Verfasser mit genügender Takt, objektivierend (d.h.,<br />
auch unabhängig der nationalen Zugehörigkeit) und im möglichst weiten Ausmaß die<br />
Lebensweise in Kurland und Liefland darlegt. Es wird hier sowohl eine ziemlich<br />
genaue ethnographische Beschreibung des Bauernlebens vorgestellt [Kleidung,<br />
Häuser, Wirtschaft, Bräuche, Heilkunde (mit Hilfe der Badestuben und des<br />
Brandweins), Religionswesen (wo nach mehreren Jahrhunderten seit der Einführung<br />
des Christentums oft noch abergläubische, im Heidentum verwurzelte,<br />
Opfertraditionen existieren, die dem Verfasser als fremd und beseitigungswert<br />
erscheinen)], als auch ihre sozialrechtlichen, von der Leibeigenschaft bedingten,<br />
Beziehungen zu den hauptsächlich deutschen, aber auch polnischen (in Kurland)<br />
Edelleuten gezeigt. Anders als in Kurland dürfen die liefländischen Bauern zu<br />
schweren körperlichen Strafen nicht ohne die Hinzuziehung eines ordentlichen<br />
Gerichtes verurteilt werden. J.A. von Brand sieht die schlechte Situation der Bauern<br />
sehr deutlich, erkennt aber die positiven juristisch–reformatorischen Tendenzen in<br />
dem von Schweden verwalteten Liefland; außerdem werden auch die Leistungen des<br />
schwedischen Landvermessungswesen im XVII. Jahrhundert anerkannt: nach Brands<br />
Beobachtungen werden von Riga an bis durch ganz Liefland alle Meilen auf<br />
sonderbaren an den Landstraßen aufgerichteten Pfählen abgemessen. 11 Die<br />
ökonomische Lage ist in Kurland besser. In Liefland sind, abgesehen vom regen<br />
Handelsverkehr mit Holland in Riga, viele durch “Moscowiten” verursachte<br />
Zerstörungen zu beobachten (russisch–schwedische Kriegshandlungen von 1656 bis<br />
1661).<br />
Man spürt, dass Brand mit dieser Reisebeschreibung schon im XVII. Jahrhundert<br />
einen Versuch unternommen hat, dem eventuellen Fremdenverkehr im damaligen<br />
Sinne das geographisch, ethnographisch und sozialpolitisch Entfernte dem<br />
Einheimischen näher zu bringen. Es werden auch einige Beispiele von Volksliedern<br />
und des “Vaterunser” auf Kurländisch und Liefländisch (wie es bei Brand heißt)<br />
angeführt, wobei zu erkennen ist, dass es bei den ersteren um das Lettische handelt,<br />
beim „Vaterunser” aber um das Estnische (der Norden des damaligen Lieflands bildet<br />
den Süden des heutigen Estlands aus). Außerdem, es ist zu bemerken, dass schon etwa<br />
100 Jahre vor der berühmten Ausgabe von G. Merkel — Die Letten, vorzüglich in<br />
Liefland am Ende des philosophischen Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Völker– und