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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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<strong>Eine</strong> oft benutzte Einsatzmöglichkeit der Variation ist die Verallgemeinerung des<br />

Ausgangsszenarios. Oft möchte man nicht nur wissen, wie ein Einzelfall zu beurteilen ist. Man<br />

möchte wissen, wie die Klasse der Fälle aussieht, die dieselbe Beurteilung erfordern. Nicht alle<br />

Verwendungen eines Szenarios und seiner Beurteilung erfordern diese Verallgemeinerung.<br />

Gegenbeispiele zu Thesen, die in der Form von Allsätzen gegeben werden, kommen z.B. ohne<br />

eine Verallgemeinerung aus. Es genügt, einen Fall anzugeben, für den der Allsatz falsch wird, um<br />

ihn zu widerlegen. Sobald es aber um die Frage geht, wie der Allsatz verbessert werden muß, ist<br />

es keineswegs egal, ob man einen Einzelfall vor sich hat oder eine ganze Klasse von Fällen.<br />

Wie man mittels Variation des Szenarios zu Verallgemeinerungen kommt, wird exemplarisch<br />

vorgeführt von Burge in [IM]. Sein Gedankenexperiment Arthritis im Oberschenkel habe ich in<br />

Kapitel 1.1.3 bereits vorgestellt. Der größte Teil von ‚Individualism and the Mental’ ist aber nicht<br />

dem eigentlichen Gedankenexperiment gewidmet, sondern der Variation des Szenarios zu<br />

verschiedenen Zwecken. <strong>Eine</strong> zentrale Voraussetzung von Burges Gedankenexperiment besteht<br />

darin, daß man einer Person den Besitz eines Begriffs zuschreiben kann, obwohl die Person den<br />

Begriff unvollständig verstanden hat. 229 Burge zählt eine ganze Reihe von Szenarien auf und fragt<br />

jeweils, ob es plausibel ist, der beschriebenen Person den Besitz des fraglichen Begriffs<br />

zuzuschreiben. Diese Überlegungen spielen eine dreifache Rolle. Erstens möchte Burge die<br />

zentrale Voraussetzung des <strong>Gedankenexperimente</strong>s, daß nämlich eine Person über Begriffe<br />

verfügen kann, die sie unvollständig verstanden hat, als alltägliches und unproblematisches<br />

Phänomen erweisen. Zweitens möchte er die zentrale Voraussetzung vor Uminterpretationen in<br />

Schutz nehmen (wie sie später z.B. Davidson angeführt hat). 230 Und drittens führt Burge vor,<br />

welche Arten von unvollständigem Verständnis ebenfalls als Grundlage ähnlicher<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> dienen können. 231<br />

Burge möchte außerdem zeigen, daß das Gedankenexperiment nicht auf die Besonderheiten des<br />

Wortes „Arthritis“ angewiesen ist. Er deutet zumindest an, wie groß die Klasse von Wörtern ist,<br />

für die ähnliche <strong>Gedankenexperimente</strong> angestellt werden können. 232<br />

229 Burge [IM] 79-82.<br />

230 Z.B. in Davidson [KooM] 25ff. Es ist eine Ironie der Philosophiegeschichte, daß Davidson, angetrieben von der<br />

Sorge um die Inkompatibilität von Antiindividualismus und Autorität der ersten Person, Burges ausführliche<br />

Ausführungen in [IM] zu Fällen, in denen es sinnvoll ist, einen Begriff trotz unvollständigem Verständnis<br />

zuzuschreiben im Vergleich zu Fällen, wo dies nicht sinnvoll ist, schlicht ignoriert. Genau im Fall eines der wenigen<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong>, zu denen sein Autor ausführlich darlegt, wie es funktioniert und wo seine Grenzen liegen,<br />

werden diese Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen.<br />

231 Vgl. Burge [IM] Teil II b&c, 79-85, sowie Teil III b&c, 89-99.<br />

232 Burge [IM] 79<br />

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