Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren
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3 Beurteilbarkeit<br />
Wenn man bei Kritikern von <strong>Gedankenexperimente</strong>n nachfragt, an welcher Eigenschaft sehr<br />
fremder Szenarien es eigentlich liegt, daß sie ungeeignet zur Verwendung in<br />
<strong>Gedankenexperimente</strong>n sein sollen, so erhält man häufig eine Antwort, in der die Beurteilbarkeit<br />
des fremden Szenarios in Zweifel gezogen wird. In pragmatischer Hinsicht stellt eine solche,<br />
oberflächliche Kritik bereits ein Problem für die Verwendung von <strong>Gedankenexperimente</strong>n dar.<br />
Denn natürlich werden <strong>Gedankenexperimente</strong>, wie andere argumentative <strong>Verfahren</strong> auch,<br />
benutzt, um zu überzeugen. Und insofern ist es schlecht, wenn der philosophische Gegner<br />
erklärt, ein Szenario sei in Hinsicht auf die zur Diskussion stehende Frage gar nicht beurteilbar.<br />
Allerdings kann man nach wie vor fragen, ob denn der philosophische Gegner zu Recht an der<br />
Beurteilbarkeit des Szenarios zweifelt. Anders gefragt, wie können wir unterscheiden, ob einer<br />
sich nur absichtlich stur stellt und nur behauptet, ein Szenario sei nicht beurteilbar oder ob ein<br />
echtes Problem im Gedankenexperiment vorliegt? Um der Weigerung, sich auf ein<br />
Gedankenexperiment einzulassen, die Aura der Willkürlichkeit zu nehmen, möchte man auf<br />
Begründungen zurückgreifen, warum fremde Szenarien nicht beurteilbar sein sollen. Es sind<br />
solche Begründungen, um die es im Folgenden geht.<br />
Wir kennen bereits eine Möglichkeit, die Kritik an der Beurteilbarkeit fremder Szenarien zu<br />
begründen, die allein auf den Wahrheitsbedingungen kontrafaktischer Konditionale aufbaut.<br />
Beurteilungen von Szenarien, so haben wir in Kapitel 2.2.1 gesehen, haben die Form<br />
kontrafaktischer Konditionale. Die Wahrheitsbedingungen für kontrafaktische Konditionale<br />
besagen, daß ein kontrafaktisches Konditional mit unmöglichem Antezedens trivial wahr ist. Und<br />
das spricht gegen die Verwendung von unmöglichen Szenarien in GE. Denn wenn alle<br />
Beurteilungen eines Szenarios trivial wahr werden, so sind sie philosophisch wertlos. Diesen<br />
Umstand, daß alle Beurteilungen gleich gut sind, kann man als Unbeurteilbarkeit unmöglicher<br />
Szenarien bezeichnen. Nun muß man allerdings sehen, daß wir verschiedene Arten von<br />
Möglichkeit unterschieden haben und daß ein kontrafaktisches Konditional entsprechend dieser<br />
verschiedenen Arten von Möglichkeit gelesen werden kann. Ein Szenario mag z.B.<br />
naturwissenschaftlich unmöglich sein, trotzdem läßt es sich noch in Hinsicht auf logische<br />
Möglichkeit beurteilen. 246 Wir haben auch bereits festgehalten, daß das Verhältnis verschiedener<br />
Arten von Möglichkeit zueinander zum Streitpunkt werden kann.<br />
246 Ein Beispiel für ein metaphysisch unmögliches Szenario, aus dem dennoch gefolgert werden kann, erschien bei<br />
Häggqvist in Kapitel 2.2.1. Ob man dieses Beispiel überzeugend findet, hängt entscheidend davon ab, ob man<br />
metaphysische Möglichkeit als weiteste Art von Möglichkeit betrachtet oder nicht.<br />
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