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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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Schließlich erklärt Sorensen, sowohl Experimente als auch <strong>Gedankenexperimente</strong> könnten nicht<br />

antizipierte Anwendungen finden. 122 Was er meint, ist allerdings lediglich, daß ein Szenario in<br />

verschiedener Weise verwendet werden kann. Sorensen hat sicherlich recht, wenn er behauptet,<br />

daß nicht alle Verwendungen eines Szenarios von den Erfindern des Szenarios vorhergesehen<br />

werden. Er unterscheidet dabei nicht, wie wir es getan haben, zwischen Fragen zur Beurteilung,<br />

die an ein Szenario gerichtet werden können und Arten, die Beurteilung philosophisch<br />

auszunutzen. <strong>Eine</strong> Ausarbeitung erfährt die Idee nicht. Im Gegenteil: Die Erkenntnis, daß<br />

Szenarien in verschiedener Weise ausgenutzt werden können, geht Sorensen in der Darlegung<br />

seines eigenen Ansatzes verloren. Schließlich muß man konstatieren, daß auch der Mechanismus<br />

von Argumenten nicht antizipierte Anwendungen finden kann. <strong>Eine</strong> Gemeinsamkeit, die nur<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> und Experimente besäßen, hat man damit nicht gefunden.<br />

1.3 Das problematische Wort ‚Gedankenexperiment’<br />

Das Wort ‚Gedankenexperiment’ hat sich bisher in drei Hinsichten als irreführend erwiesen, die<br />

sich in der allermeisten Literatur leider spiegeln. Erstens verstellt es den Blick auf den Umstand,<br />

daß mit ihm eine ganze Klasse <strong>philosophischer</strong> <strong>Verfahren</strong> bezeichnet wird, deren Abgrenzung zu<br />

anderen philosophischen <strong>Verfahren</strong> notorisch schwierig ist. Nach den bisherigen Ausführungen<br />

sollten wir gegen diesen Fehler gefeit sein.<br />

Zweitens hat der Umstand, ein Wort für eine Klasse von <strong>Verfahren</strong> mit so komplexer Struktur zu<br />

besitzen, dazu geführt, daß der argumentative Kontext von <strong>Gedankenexperimente</strong>n oft<br />

vernachlässigt worden ist. Es ist aber überaus gefährlich, <strong>Gedankenexperimente</strong> isoliert von<br />

ihrem argumentativen Kontext zu betrachten. Man verpaßt gewissermaßen den ganzen Witz des<br />

<strong>Verfahren</strong>s, wenn man den argumentativen Kontext ausblendet. Dieser Punkt wird insbesondere<br />

einschlägig werden, wenn wir uns in Kapitel 3.3 um die explorative Funktion von<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong>n kümmern.<br />

Drittens legt das Wort „Gedankenexperiment“ nahe, daß <strong>Gedankenexperimente</strong> eine Art<br />

Experiment sind oder zumindest wesentliche Eigenschaften von Experimenten teilen. Die erste<br />

dieser Thesen ist schlicht falsch und ich nehme sie in dieser Arbeit nicht sonderlich ernst. 123 Der<br />

Vergleich dagegen ist nicht von vornherein absurd, hat sich aber in der Literatur als erstaunlich<br />

122 Sorensen [TE] 239f.<br />

123 Vgl. Kapitel 2.2 für einige Gründe, warum <strong>Gedankenexperimente</strong> keine Argumente sind.<br />

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