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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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<strong>Gedankenexperimente</strong> daher nur einen sehr eingeschränkten Erkenntniswert besitzt. Ich befasse<br />

mich aber genauso mit Autoren, welche die Zuverlässigkeit unserer Beurteilungen von Szenarien<br />

gerade durch die Berufung auf Intuitionen erklären wollen, da es die Intuitionsthese selbst ist,<br />

welche philosophische Probleme aufwirft.<br />

Nun muß man sich zunächst vor Augen führen, daß das Wort „Intuition“, das die Debatte um<br />

viele der im Zusammenhang mit <strong>Gedankenexperimente</strong>n verhandelten Themen in den letzten<br />

Jahren in einem ungesunden Ausmaß bestimmt, in der Philosophie in vielen Bedeutungen<br />

verwendet wird. Tatsächlich ist derart offen, welche Bedeutung jeweils gemeint ist, daß man gut<br />

beraten ist, jedes Vorkommnis des Wortes durch ein passendes Synonym zu ersetzen.<br />

Sprachgefühl, angeborene Vorstellungen, bildliche Vorstellungen und Vorstellungen überhaupt,<br />

Kants Anschauung, Aristoteles noûs, rationale Einsichten, unmittelbares Wissen, unbegründete<br />

Urteile, spontane Urteile, sprachliche Urteile, die Neigung zu Urteilen, Wahrheiten, die keiner<br />

Begründung bedürfen, (verhältnismäßig) theorieunabhängige Urteile und vieles mehr ist Intuition<br />

genannt worden. 424<br />

Es ist insbesondere problematisch, daß das Wort „Intuition“ sowohl benutzt werden kann, um<br />

Urteile oder besondere Arten von Urteilen zu bezeichnen, als auch die Neigung zu urteilen, ohne<br />

damit schon geurteilt zu haben und schließlich, über das englische „to intuit“, auch Vorstellungen<br />

oder Vorstellungsakte, die als Begründungen für Urteile dienen können oder sollen. Ich<br />

unterscheide daher im Folgenden zwei Typen von Ansätzen. Zum einen Ansätze, die unter dem<br />

Titel „Intuitionen“ Probleme der Berufung auf eine Art Vorstufen zu Meinungen verhandeln,<br />

Bilder, Vorstellungen, Neigungen zu Meinungen, etc. (6.3.1). Zum anderen Ansätze, die unter<br />

dem Titel „Intuitionen“ die Unzuverlässigkeit aller oder mancher Klassen unserer Urteile<br />

verhandeln (6.3.2). Beide Typen von Ansätzen taugen nicht, um die These zu belegen, daß der<br />

Erkenntniswert von <strong>Gedankenexperimente</strong>n in besonderer Weise eingeschränkt ist. Die wahren<br />

Probleme lauern, wie stets, im objektphilosophischen Einzelfall.<br />

424 Für einen scharf formulierten Überblick über Bedeutungen des Wortes „Intuition“ siehe Hintikka [ENI].<br />

Hintikkas Liste ist unvollständig aber ein heilsamer Schock für den unbedarften Benutzer des Wortes „Intuition“. Er<br />

richtet sich vor allem gegen die naive Verwendung von Urteilen über Einzelfälle als unhintergehbare Daten, die eine<br />

philosophische Theorie nur noch abzudecken hat.<br />

Das Wort „Intuition“ ist derart in Mode, daß es inzwischen auch an Stellen verwandt wird, wo es offenbar gar nichts<br />

zu suchen hat. Williamson bringt folgendes überzeugende Beispiel:<br />

„I once heard a professional philosopher argue that persons are not their brains by saying that he had an intuition<br />

that he weighed more than three pounds. Surely there are better ways of weighing than by intuition.” Williamson<br />

[PISa] 110.<br />

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