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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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Gebrüdern Karamasov entstammt. <strong>Eine</strong> Person entdeckt, daß es in ihrer Macht steht, Frieden<br />

und Glück für die gesamte Menschheit herzustellen, daß man aber zu diesem Zweck ein Kind zu<br />

Tode foltern muß. Wie soll sie handeln? Wieder verweigert Donagan die Antwort:<br />

Here again, it is necessary to demand, in what possible system of nature could a deed of that kind<br />

be a necessary element in causing that outcome? Whoever may maintain that there is such a<br />

possible system owes us some account of it. 315<br />

Tatsächlich ist schwer einzusehen, wie dauerhafter Friede und Glück für die gesamte Menschheit<br />

durch irgendeine noch so raffinierte Kombination von Maßnahmen erreichbar sein sollte. Mit<br />

möglichen Systemen von Naturgesetzen hat das aber nur in einem sehr weiten Sinne etwas zu<br />

tun. Menschen mögen so beschaffen sein, daß es eben nicht möglich ist, sie dauerhaft friedlich<br />

und glücklich zu machen. Das Problem liegt also nicht, wie Donagan suggeriert, darin begründet,<br />

daß die schreckliche Tat den ersehnten Zustand nicht herbeiführen kann, sondern daß keine Tat<br />

diesen Zustand herbeiführen kann. Und das wiederum zeigt, daß Donagans Einwand das<br />

Wesentliche des Szenarios nicht trifft. Es ging nie um das spezielle Problem, welche Opfer man<br />

zu leisten bereit wäre, um dauerhafte Glückseligkeit für die Menschheit zu garantieren, sondern<br />

ob und wie Menschenleben überhaupt gegeneinander abwägbar sind. Wir können den<br />

angestrebten Zustand der Glückseligkeit also ohne Verlust für das Gedankenexperiment ersetzen<br />

durch einen, in dem das Leben vieler tausend Menschen gerettet werden soll. Und man muß<br />

nicht an den Naturgesetzen drehen, um sich vorzustellen zu können, daß Menschen einander in<br />

Zwangslagen bringen, in denen der (eventuell auch qualvolle) Tod eines Menschen abgewogen<br />

werden muß gegen den Tod vieler. Man denke nur an Philippa Foots Szenarien, in denen das<br />

Leben einer Person gegen das von fünfen abgewogen wird. 316 Oder man denke an John Taureks<br />

Argumente für die These, daß die Zahl der Personen, die gerettet wird, in solchen Überlegungen<br />

nicht ausschlaggebend sein sollte. 317 Wieder erweist sich Donagans Einschränkung als viel zu weit<br />

gefaßt, um für die Relevanz wichtig zu sein. 318<br />

315 Donagan [ToM] 36. Ironischerweise hält ausgerechnet die christliche Tradition, auf die Donagan sich unter<br />

anderem beruft, mit dem Kreuzestod Christi, welcher der Menschheit Erlösung bringen soll, einen solchen Fall<br />

bereit. Donagan ist natürlich gut beraten, sich um diesen Fall nicht kümmern, da er durch die Person und Rolle<br />

Christi als einmalig ausgezeichnet ist und daher keine Konsequenzen für die Ethik Normalsterblicher haben sollte ,<br />

ganz abgesehen von den typischen Problemen konfessionell begründeter Ethiken.<br />

316 Foot [PoAD] 23.<br />

317 Taurek [SNC].<br />

318 Unter anderen auch deswegen, weil es für ein gegebenes Szenario sehr schwer sein kann zu zeigen, daß oder daß<br />

es kein Set an Naturgesetzen gibt, unter dem das Szenario möglich ist. Es kann daher nicht verwundern, daß<br />

Donagan die Beweislast seinen Gegnern zuschiebt: Wenn es zweifelhaft ist, ob eine Situation möglich ist, dann<br />

müssen die Vertreter der Möglichkeit zeigen, daß es sich um eine genuine Möglichkeit handelt. Für die von Donagan<br />

benannten Fälle ist das eine richtige Beobachtung. Wir haben zum Beispiel die Herausforderung aus Fall eins<br />

angenommen und beantwortet. Aber die Beweislast ist nicht immer so verteilt. Es mag Fälle geben, in denen die<br />

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