Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren
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philosophischen Alltag angezweifelt werden. Das erste Projekt dagegen will nur einen sehr<br />
allgemeinen Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von Möglichkeitsurteilen ausräumen.<br />
Beide Projekte können sich überschneiden. <strong>Eine</strong> Antwort auf die Frage, warum wir prinzipiell<br />
berechtigt sind, gewisse Urteile zu fällen, ist möglicherweise als Rechtfertigung im Streit<br />
widersprüchlicher Urteile verwendbar. Doch dieser Zusammenhang ist nicht zwingend. Genauso<br />
gut kann es sein, das die Antwort auf die erste Frage dem urteilenden Subjekt nie zur Verfügung<br />
steht oder beiden Streitparteien gleichermaßen zur Verfügung steht.<br />
Beide Projekte sind vernünftige Aufgaben, die man an dieser Stelle verfolgen kann und die am<br />
Ende zur großen Frage beitragen, wie wir aus <strong>Gedankenexperimente</strong>n lernen können. In der<br />
Literatur zu <strong>Gedankenexperimente</strong>n wird leider meist nicht geklärt, um welches Projekt es gehen<br />
soll. 381 Aber wir können hier nicht beide Projekte verfolgen. Mich interessiert im Folgenden allein<br />
das zweite Projekt: Wie gehen wir rational mit Konflikten zwischen verschiedenen<br />
Möglichkeitsurteilen um? Dabei gebe ich lediglich von Zeit zu Zeit gewisse Ausblicke auf das<br />
erste Projekt.<br />
5.2.1 Impliziert oder begründet Vorstellbarkeit Möglichkeit?<br />
Die klassische Antwort auf die Frage nach der Rechtfertigung von Möglichkeitsbehauptungen<br />
verweist auf die Vorstellbarkeit des Szenarios: Wir sind gerechtfertigt, das Szenario für möglich<br />
zu halten, weil wir es uns vorstellen können. So schreibt z.B. Hume:<br />
‘Tis an establish’d maxim in metaphysics, That whatever the mind clearly conceives includes the<br />
idea of possible existence, or in other words, that nothing we imagine is absolutely impossible.<br />
We can form the idea of a golden mountain, and from thence conclude that such a mountain may<br />
actually exist. We can form no idea of a mountain without a valley, and therefore regard it as<br />
impossible. 382<br />
Während das von Hume benannte Prinzip lautet, daß aus der Vorstellbarkeit die Möglichkeit<br />
folgt, erschließt sich aus dem zweiten Teil des Beispiels durch Kontraposition, daß Hume auch<br />
der Meinung ist, aus der Möglichkeit folge die Vorstellbarkeit. 383 Dieses Bikonditional zwischen<br />
381 Lediglich Häggqvist legt sich klar auf das zweite Projekt fest: „What we are looking for are clues that may be used<br />
for evaluating competing modal claims.” Häggqvist [TEiP] 128.<br />
382 Hume [ToHN] 32.<br />
383 Vorausgesetzt, Hume möchte mit dem letzten Satz des Zitates nahe legen, daß wir die Vorstellung eines Gebirges<br />
ohne Tal gerechtfertigt als unmöglich ansehen. Vgl. Häggqvist [TEiP] 126. Die Interpretation von Humes Bemerkung<br />
ist eine Sache. Ob Hume tatsächlich die hier von ihm propagierten Prinzipien unqualifiziert vertreten hat, steht auf<br />
noch einem ganz anderen Blatt. Man vergleiche z.B. Humes Bemerkung, daß man manche Vorstellungen nur haben<br />
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