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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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<strong>Gedankenexperimente</strong> eine argumentative Rolle spielen, deuten seine Beispiele an. Er gibt<br />

Prämisse für Prämisse explizit formulierte Argumente für verschiedene <strong>Gedankenexperimente</strong><br />

Einsteins, deren Plausibilität hier keine Rolle spielt.<br />

Der Weg zum Verständnis von Nortons These führt über James Robert Browns Theorie von<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong>n, gegen die sich Norton explizit richtet. Brown faßt, was wir als<br />

Beurteilung eines Szenarios beschrieben haben, in einem sehr speziellen Sinne auf. Er ist der<br />

Überzeugung, daß man in bestimmten <strong>Gedankenexperimente</strong>n, die er platonisch nennt,<br />

Naturgesetze gewissermaßen direkt sehen kann.<br />

In a small number of cases, thought experiments give us (fallible) a priori beliefs of how the<br />

physical world works. With the mind’s eye, we can see the laws of nature. 68<br />

Browns Theorie ist in der einen oder anderen Form in so gut wie jeder nachfolgenden<br />

Veröffentlichung kritisiert worden. Sie ist für uns nur wichtig, weil Norton mit seiner<br />

Argumentthese eine Alternative zu Browns Bild anbieten möchte. 69 Norton will zeigen, daß<br />

Browns problematische platonische Einsichten überflüssig sind, da sich die entsprechenden<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> als simple Argumente darstellen lassen.<br />

Browns Theorie ist sicherlich falsch. Die Frage ist, ob Nortons Argumente einen geeigneten<br />

Ersatz darstellen. Denn während es sehr überzeugend ist, bestimmte <strong>Gedankenexperimente</strong> z.B.<br />

als Reduktioargumente zu rekonstruieren, so schweigt Norton sich zum entscheidenden Schritt,<br />

der Beurteilung des Szenarios, völlig aus. Der Witz an Browns Theorie ist gerade, daß er eine<br />

wenn auch schlechte Erklärung anbietet, warum wir in unseren Beurteilungen gerechtfertigt sein<br />

sollten. Nortons Argumentthese bietet aber zu diesem Element von Browns Theorie gar keine<br />

Alternative an. Wir werden uns selbst um eine Antwort bemühen müssen, die Browns direkte<br />

Einsichten nicht benötigt. Alles wird davon abhängen, wie im Argument die Prämisse formalisiert<br />

wird, in der die Beurteilung eingefangen werden soll.<br />

Brown möchte noch auf ein zweites Problem hinweisen:<br />

In Norton’s account we must start with clearly specified premises, a well-articulated background<br />

theory. The thought experiment is an argument; it culminates in a conclusion. We have clearly<br />

specified premises to work from in either destructive or mediative examples; but in the case of<br />

either direct or conjectural thought experiments we simply do not have a definitive background<br />

theory from which we can be said to be arguing our conclusion. 70<br />

68 Brown [LoM] 155.<br />

69 Für eine knappe, aber gelungene Kritik an Brown, vgl. Häggqvist [TEiP] 49ff. Wir werden im Zusammenhang mit<br />

der Experimentthese Ansätze kennenlernen, die ähnlich wie Brown den Schritt der Beurteilung quasiperzeptuell<br />

ausbuchstabieren möchten.<br />

70 Brown [LoM] 47. Ich erläutere hier nicht Browns Taxonomie von <strong>Gedankenexperimente</strong>n, die ihre ganz eigenen<br />

Schwierigkeiten mit sich bringt.<br />

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