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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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1.1.2.4 Intuitionspumpen: Erkläre unsere falsche Beurteilung!<br />

Die bisherigen großen Klassen von argumentativen Funktionen setzen schon voraus, daß unsere<br />

Beurteilung des Szenarios und seines modalen Status in gewissem Grade verläßlich und<br />

gerechtfertigt sind. Es existiert eine weitere Funktion von <strong>Gedankenexperimente</strong>n auf diese<br />

Annahme nicht angewiesen ist. <strong>Gedankenexperimente</strong> können als Intuitionspumpen<br />

funktionieren, das heißt, sie können helfen, Intuitionen explizit zu machen und überhaupt helfen,<br />

Intuitionen auszubilden. Diese Funktion von <strong>Gedankenexperimente</strong>n ist sehr grundlegend.<br />

Allerdings möchte, wer von Intuitionspumpen redet, typischerweise mehr ausdrücken, als daß<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> auch intuitionsbildend wirken. Er zweifelt zusätzlich an, dass diese<br />

Intuitionen verlässlich sind. Wir können unsere Beurteilungen zur Kenntnis nehmen, auf sie<br />

verlassen können wir uns nicht. Und es gibt Fälle, in denen unsere Beurteilungen tatsächlich<br />

unzuverlässig sind. Intuitionspumpen sind in dieser Hinsicht das Gegenstück zu den bisher<br />

vorgestellten argumentativen Funktionen von <strong>Gedankenexperimente</strong>n: Konstruktive, destruktive<br />

und illustrative Funktionen setzen schon voraus, daß unsere Möglichkeits- und<br />

Unmöglichkeitsbehauptungen sowie unsere Beurteilungen von Szenarien rechtfertigende Kraft<br />

haben können. Wer von Intuitionspumpen redet, läßt sich auf diese Voraussetzung nicht ein und<br />

möchte <strong>Gedankenexperimente</strong>n unter Umständen gar keine Rolle in <strong>philosophischer</strong><br />

Argumentation zugestehen.<br />

Ob und in welchen Fällen solcher Zweifel gerechtfertigt ist, diskutiere ich in Teil III der Arbeit.<br />

Bis dahin muß es uns genügen zu sehen, daß Beurteilungen so sicher sein können, daß selbst klar<br />

formulierte Argumente mit gegenteiliger Konklusion uns nicht überzeugen können. Ein Beispiel<br />

ist Bertrand’s Box Paradox:<br />

Man wählt eine von drei verschlossenen Schachteln gleichen Aussehens. Jede Schachtel ist<br />

unterteilt in zwei Hälften, in jeder Hälfte liegt eine Münze. In einer Schachtel liegen zwei<br />

Goldmünzen, in einer zwei Silbermünzen und in einer eine Gold- und eine Silbermünze. Man<br />

weiß nicht, welche Schachtel welche ist. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß man die<br />

Schachtel mit einer Gold- und einer Silbermünze wählt? Hier ist ein (schlechtes) Argument per<br />

Fallunterscheidung, daß die Wahrscheinlichkeit ½ beträgt:<br />

Nehmen wir an, wir wählen eine Schachtel und sehen in eine der Hälften. Ist eine Goldmünze<br />

darin, so haben wir es mit der GG- oder der GS-Schachtel zu tun. Die Wahrscheinlichkeit, daß<br />

wir die GS-Schachtel gezogen haben, ist also ½. Ist dagegen eine Silbermünze in der ersten<br />

Hälfte der Schachtel, so haben wir es mit der SS- oder mit der GS-Schachtel zu tun. Die<br />

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