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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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In einem trivialen Sinn ist das Nachvollziehen einer Beschreibung natürlich wichtig, damit man<br />

überhaupt ein Szenario zur Hand hat. Irgendwie muß uns das Szenario ja gegeben sein. Zu dieser<br />

Regel gibt es Ausnahmen, ein Szenario könnte uns über eine Zeichnung gegeben sein oder,<br />

abwegiger über eine szenische Darstellung. Für philosophische Kontexte können wir diese Arten,<br />

ein Szenario zu spezifizieren, jedoch getrost vernachlässigen. Szenarien werden gegeben, indem<br />

man sie beschreibt. Zur Debatte steht also im Folgenden nicht diese triviale These, sondern die<br />

Frage, ob das Verstehen des Szenarios nicht bloße Vorbedingung für den eigentlich wichtigen<br />

Teil des Vorstellens, die Visualisierung ist. Es könnte ja z.B. sein, daß es erst die Visualisierung<br />

ist, die uns erlaubt, das Szenario zu beurteilen.<br />

Dementsprechend gibt es eine ganze Anzahl an Autoren, die der Auffassung sind,<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> involvierten wesentlich Visualisierungen. So behauptet z.B. Brown,<br />

Szenarien seien „visualizable“. 128 Gooding erklärt:<br />

Visual perception is crucial because the ability to visualize is necessary to most if not all thought<br />

experimentation. 129<br />

Und Sorensen erwähnt “mental imagery” immerhin als typisches Element von<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong>n. Wir seien eher geneigt, ein <strong>Verfahren</strong> Gedankenexperiment zu nennen,<br />

wenn mentale Bilder involviert sind:<br />

The beginning philosophy student describes his desert island scenario as a thought experiment<br />

because he has a vivid mental picture of the situation. His professor describes it as “just a<br />

hypothetical question” because familiarity with social isolation scenarios has dampened his mental<br />

imagery of them. 130<br />

Doch diese Behauptungen sind typischerweise schlecht begründet, wenn denn überhaupt der<br />

Versuch unternommen wird, für sie zu argumentieren. 131 Die These, daß Visualisierungen<br />

128 Brown [LoM] 1. Tatsächlich möchte Brown alle Sinnesmodalitäten zulassen. Diese Präzisierung kommentiere ich<br />

weiter unten im Haupttext.<br />

129 Gooding [wIEa] 285.<br />

130 Sorensen [TE] 209.<br />

131 So mag z.B. Sorensens Beobachtung korrekt sein, nur wofür will Sorensen mit ihr argumentieren? Dem<br />

naheliegenden Schluß, daß mentale Bilder wesentlicher Bestandteil von <strong>Gedankenexperimente</strong>n sind, widerspricht er<br />

an anderer Stelle. Den ebenfalls nahe liegende Schluß, daß der Student ein Gedankenexperiment ausgeführt hat, der<br />

Professor aber nicht, finde ich besonders beunruhigend. Meines Erachtens zeigt Sorensens Beispiel zwei Dinge.<br />

Zum einen, wie unscharf die Verwendung des Begriffs „Gedankenexperiment“ im philosophischen Alltag ist. Zum<br />

anderen, daß mentale Bilder nicht wichtig sein können, wenn Professor und Student das gleiche <strong>Verfahren</strong> ausführen<br />

können und nur einer von beiden dabei mentale Bilder benutzt.<br />

Gooding geht in seiner Begründung soweit, zu behaupten, <strong>Gedankenexperimente</strong> erzeugten Wahrnehmungen, wenn<br />

auch Wahrnehmungen einer besonderen Art: “It is as if T-experimenters perceive the relevant properties only as<br />

primary qualities, or with the viridicality that primary qualities would be perceived, if they could be perceived directly<br />

by us instead of by our instruments. In this way TEs create a set of perceptions which, though different from those<br />

of ordinary experience, can inspire the same confidence as common-sense perception.” (Gooding [wIEa] 285) M. E.<br />

zeigt sich in diesen hilflosen Versuchen, den Begriff der Wahrnehmung so zu modifizieren, daß man eine Art geistige<br />

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