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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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Die fünfte Strategie fordert: Suche nach alternativen Beurteilungen! Kritiker an <strong>Gedankenexperimente</strong>n<br />

bemängeln häufig, daß wir uns zu schnell mit einer Beurteilung eines Szenarios zufrieden geben.<br />

Dementsprechend besteht eine Möglichkeit, eine abweichende Beurteilung anzugreifen,<br />

alternative Beurteilungen aufzubieten, die bislang übersehen wurden. (Streng genommen<br />

generiert man so Beurteilungskonflikte und löst sie nicht auf, ich führe die Strategie hier an, da<br />

man mit ihrer Hilfe gegen Beurteilungen argumentieren kann.) Ein Beispiel für eine solche<br />

Vorgehensweise ist Stalnakers Behandlung des invertierten Spektrums. Das Gedankenexperiment<br />

Invertiertes Spektrum ist in 1.1.4.1 eingeführt worden und ich werde es daher hier nicht noch einmal<br />

ausführlich vorstellen. Man erinnere sich, daß es eine intrapersonale und eine interpersonale<br />

Variante des <strong>Gedankenexperimente</strong>s gibt, die beide nahe legen sollen, daß der qualitative Gehalt<br />

von Wahrnehmungen (grob gesagt: wie es für die Wahrnehmende ist, die Wahrnehmung zu<br />

haben) sich nicht im repräsentationalen Gehalt der Wahrnehmung erschöpft. Robert Stalnaker<br />

argumentiert gegen das Gedankenexperiment, indem er diese beiden Versionen unterscheidet:<br />

But I am sympathetic to the general strategy of trying to explain qualitative content in terms of<br />

representational content, and I am sceptical about the coherence of thought experiments such as<br />

the inverted spectrum that attempt to pull them apart. I have to grant that common sense<br />

supports the coherence of the inverted spectrum and that one who rejects it has a compelling<br />

cognitive illusion to explain away. But I think that the illusion can be explained away and that<br />

common sense does not speak with a single voice about the comparison of qualia over time, and<br />

between different persons. 408<br />

Stalnaker argumentiert also gegen die interpersonale und die intrapersonale Version des<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong>s verschieden. Die Antwort auf den interpersonalen Fall interessiert uns<br />

hier nicht. 409 Bezüglich der intrapersonalen Version (die Vergleich von qualitativem Gehalt über<br />

einen gewissen Zeitraum hinweg einschließt) behauptet er, daß der Vertreter der Möglichkeit<br />

eines invertierten Spektrums die Erklärungsmöglichkeit übersieht, daß sich die Person in ihren<br />

Erinnerungen irrt. (Wieder verkürzt gesprochen: Es sieht für sie nicht heute rot aus, was gestern<br />

für sie grün aussah, sondern sie irrt sich darin, wie es gestern für sie aussah.) Die Strategie besteht<br />

also darin, die Beurteilung des Gegners aufzuweichen, indem man auf eine zusätzliche<br />

Möglichkeit hinweist, das Szenario zu erklären, die er offenbar ignoriert hat. Die Beurteilung des<br />

Gegners ist nur so lange attraktiv, so Stalnaker, solange er nur die Möglichkeit von<br />

Erinnerungsfehlern ausblendet. 410<br />

408 Stalnaker [CQaP] 388.<br />

409 Stalnaker lehnt die Vergleichbarkeit von Qualia verschiedener Personen von vornherein ab und glaubt daher, sich<br />

mit dem interpersonalen Fall nicht mehr auseinandersetzen zu müssen, der diese Vergleichbarkeit voraussetzt.<br />

410 Ob man Stalnakers Einwand bezüglich des invertierten Spektrums für überzeugend hält, steht auf einem ganz<br />

anderen Blatt.<br />

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