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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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nicht. Ich bin an explorativen <strong>Gedankenexperimente</strong>n besonders interessiert, da sie in der<br />

metaphilosophischen Debatte erstens unterrepräsentiert sind und zweitens fast ausschließlich mit<br />

starken Vorbehalten bedacht werden. Ob diese Vorbehalte angebracht sind, wird uns von nun an<br />

beschäftigen.<br />

1.1.2.3 Illustrationen<br />

Ein nicht zu unterschätzender Aspekt vorgestellter Szenarien besteht in ihrer illustrierenden<br />

Funktion. Diese Ausnutzung eines Szenarios tritt für gewöhnlich zusammen mit einer der<br />

anderen Verwendungen auf. Ein Randfall dieser Regel findet sich bei Frege, der mittels eines<br />

Szenarios zu Wesen mit anderen Denkgesetzen als den unseren den Unterschied zwischen seinen<br />

Ansichten und denen seines Gegners, des Psychologisten illustriert.<br />

Wie aber, wenn sogar Wesen gefunden würden, deren Denkgesetze den unsern geradezu<br />

widersprächen und also auch in der Anwendung vielfach zu entgegengesetzten Ergebnissen<br />

führten? Der psychologische Logiker könnte das nur einfach anerkennen und sagen: Bei jenen<br />

gelten jene Gesetze, bei uns diese. Ich würde sagen: Da haben wir eine bisher unbekannte Art der<br />

Verrücktheit. [...] Und ferner: diese Unmöglichkeit, die für uns besteht, das Gesetz zu verwerfen,<br />

hindert uns zwar nicht, Wesen anzunehmen, die es verwerfen; aber sie hindert uns anzunehmen,<br />

dass jene Wesen darin Recht haben; sie hindert uns auch, daran zu zweifeln, ob wir oder jene<br />

Recht haben. Wenigstens gilt das von mir. Wenn Andere es wagen, in einem Athem ein Gesetz<br />

anzuerkennen und es zu bezweifeln, so erscheint mir das als ein Versuch, aus der eigenen Haut zu<br />

fahren, vor dem ich nur dringend warnen kann. 40<br />

Frege inszeniert das Szenario als Illustration, nicht als Argument gegen die Psychologisten. Aber<br />

natürlich kann man versuchen, seine Beurteilung gegen die des Psychologisten auszuspielen und<br />

das beurteilte Szenario als Gegenbeispiel zur psychologistischen Theorie zu verwenden. Es ist<br />

nicht ausgeschlossen, daß Frege diese argumentative Funktion des Szenarios auch nutzen wollte<br />

und tatsächlich ist Frege auch so gelesen worden. 41<br />

Viel von der Anschaulichkeit und damit Überzeugungskraft des <strong>Verfahren</strong>s Gedankenexperiment<br />

hängt am illustrativen Charakter von Szenarien. Ich werde auf diesen Umstand von Zeit zu Zeit<br />

wieder zu sprechen kommen, auch wenn die rein illustrative Ausnutzung von Szenarien im<br />

Folgenden keine Rolle mehr spielen wird, da ich primär an <strong>Gedankenexperimente</strong>n interessiert<br />

bin, die in der einen oder anderen Form argumentativ angelegt sind. 42<br />

40 Frege [GA] XVIf.<br />

41 Vgl. Massey [DaRF] 100f.<br />

42 Damit will ich natürlich nicht ausschließen, daß Illustrationen selbst überzeugende Kraft haben können.<br />

21

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