Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren
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und anderen angestellt wurden. Es sind diese <strong>Gedankenexperimente</strong>, die das primäre Ziel ihrer<br />
Kritik sind.<br />
Wilkes betrachtet zwei <strong>Gedankenexperimente</strong> genauer, die Geschichte vom Ring des Gyges aus<br />
Platons Staat und ein nicht näher gekennzeichnetes Szenario, in dem wir uns wie Amöben teilen<br />
und das etwas über personale Identität aussagen soll. 251 Ihre Kritik am Szenario vom Ring des<br />
Gyges habe ich bereits in Kapitel 2.1.2.5 besprochen und zurückgewiesen. Zur Erinnerung, es ist<br />
egal, daß das konkrete Beispiel Mängel aufweist, weil das Szenario nur stellvertretend für eine<br />
Reihe von Szenarien steht, in denen man handeln kann, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen.<br />
Daß solche Situationen existieren, ist aber klar.<br />
Auch Wilkes zweites Beispiel ist nicht ideal. Sie fragt erneut nach den Hintergrundbedingungen<br />
des Szenarios. Da sie aber keine Fragestellung formuliert, für die das Amöbenszenario einschlägig<br />
sein soll, läßt sich leider nicht abschätzen, welche Teile des Hintergrundes relevant sind und<br />
welche nicht. Damit läßt sich aber auch nicht sagen, ob der Mangel an Hintergrund fatal ist für<br />
das Gedankenexperiment. Man darf aber wohl annehmen, daß es um die Frage geht, ob nach<br />
einer Teilung von Person A in zwei Wesen B und C einer der beiden Nachfolger mit A personal<br />
identisch ist.<br />
Es ist nicht ohne weiteres sichtbar, inwiefern das Szenario unterbestimmt ist, wenn man die<br />
Frage beantworten will, ob die Person hinterher eine, keine oder zwei der resultierenden<br />
Personen sein wird. 252 Trotz dieses Mangels bekommen wir jedoch ein Reihe von Antworten auf<br />
die Frage, warum denn das Szenario nicht beurteilbar sein soll:<br />
The entire background here is incomprehensible. When we ask what we would say if this<br />
happened, who, now, are ‚we‘? [...] in a world where we split like amoebae, everything else is going<br />
to be so unimaginably different that we could not know what concepts would remain ‚fixed‘, part<br />
of the background; we have not filled out the relevant details of this ‚possible world‘, except that<br />
we know it cannot be much like ours. 253<br />
Wilkes Kritik besagt also erstens, daß die Hypothese, daß Menschen sich wie Amöben teilen<br />
können, uns nicht auf ein bestimmtes Szenario festlegt. Man beachte allerdings, daß es sich um<br />
251 Es ist anzunehmen, daß Wilkes auf die Diskussion zwischen Wiggins und Shoemaker anspielt, die sich z.B. in<br />
Shoemaker [SS], Wiggins [ISC] und Shoemaker [WoI] findet. Beide benutzen aber an keiner Stelle ein Szenario, in<br />
dem Menschen sich wie Amöben teilen. Vielmehr diskutiert Wiggins zunächst die Frage, warum die beiden<br />
Nachfolger einer sich teilenden Amöbe nicht identisch mit dieser sind (Wiggins [ISC] 37f.) und versucht dann für die<br />
Frage personaler Identität einen Fall zu konstruieren, der ein ähnliches Problem aufwirft. Daher spricht er vom<br />
„amoebae problem“ (Wiggins [ISC] 52f.).<br />
252 Außer in dem Sinn, auf den Parfit in der Beurteilung seiner Teilungsfälle baut, daß nämlich die Frage schlicht leer<br />
ist. Vgl. Parfit [RP] 199ff.<br />
253 Wilkes [RP] 11f.<br />
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