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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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Michael Bishop z.B. begreift bereits das vorgestellte Szenario zusammen mit seiner Beurteilung<br />

als vollständiges Gedankenexperiment. 27 Für seine Ansicht sprechen Fälle, in denen wir davon<br />

sprechen wollen, daß zwei Philosophen über dasselbe Gedankenexperiment streiten, wenn sie<br />

Argumente mit verschiedenen Konklusionen zu ein und demselben Szenario vertreten. Bishop<br />

selbst, der dieses Thema aufbringt, um gegen die Ansicht zu argumentieren, daß<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> Argumente sind, bringt als Beispiel Einsteins und Bohrs Streit um das<br />

clock-in-the-box-Szenario:<br />

The quick and dirty argument for why this conception of thought experiments cannot properly<br />

account for the clock-in-the-box episode is that Bohr and Einstein were analyzing a single<br />

thought experiment (the clock-in-the-box) but proposing distinct arguments, arguments with<br />

contradictory conclusions. 28<br />

Bishops Beispiel stützt seine These nicht, da er übersieht, daß Einstein und Bohr nicht nur<br />

verschiedene Argumente angeben, sondern auch das Szenario ganz verschieden beurteilen. 29 Das<br />

Beispiel könnte höchstens dafür sprechen, das Szenario allein als das Gedankenexperiment<br />

anzusehen. Bishops Argument ruhte dann auf dem Umstand, daß wir <strong>Gedankenexperimente</strong> oft<br />

über vorgestellte Szenarien individuieren, eine Beobachtung, die so korrekt wie unproblematisch<br />

ist. Aber auch dieses Argument kann nicht überzeugen. Es ruht es auf einem Gebrauch des<br />

Wortes „Gedankenexperiment“, ignoriert aber andere. Man betrachte verschiedene<br />

Verwendungen des Szenarios des Sumpfmenschen in der Philosophie des Geistes. Je nach<br />

Kontext sind wir geneigt zu sagen, daß zwei solcher verschiedener Verwendungen dasselbe<br />

Gedankenexperiment sind oder auch nicht. Zum anderen ist noch gar nicht ausgemacht, daß<br />

Ansätze, die <strong>Gedankenexperimente</strong> als eine Art Argument begreifen, mit Bishops Beispiel nicht<br />

umgehen können. Es ist im Gegenteil gerade eine Stärke solcher Ansätze, daß sie einem vor<br />

Augen führen, wie natürlich es ist, auf dasselbe Szenario in verschiedener Weise zu reagieren. Ein<br />

Argument ist nur so stark, wie auch seine Prämissen sind. Ist eine der Prämissen schlechter<br />

27 Bishop [ERfT] 22f. Bishop spricht tatsächlich über das Vorstellen einer experimentellen Situation –die mentale<br />

Repräsentation eines Experimentes– zusammen mit dem erschlossenen Ergebnis des vorgestellten Experimentes.<br />

Bishop, interessiert allein an naturwissenschaftlichen <strong>Gedankenexperimente</strong>n, ist der Ansicht, daß<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> mentale Repräsentationen von Experimenten sind. Diese Herangehensweise ist für die<br />

allermeisten philosophischen <strong>Gedankenexperimente</strong> fragwürdig. Bishops These bezüglich der Frage, was alles Teil<br />

des <strong>Gedankenexperimente</strong>s ist, ist von diesen Mißlichkeiten aber unabhängig; sie läßt sich leicht in unsere<br />

Terminologie übersetzen.<br />

28 Bishop [ERfT] 22, Die „slower and cleaner“ Version des Argumentes berücksichtigt die Type-Token-<br />

Unterscheidung. Bishop gibt dasselbe Argument in [wTEA] 538ff. Ich gehe hier nicht auf das Gedankenexperiment<br />

von Bohr und Einstein ein, auf dessen Details es für unsere Zwecke nicht ankommt. Jedes Szenario, zu dem zwei<br />

verschiedene Argumente gegeben werden, erfüllt denselben Zweck. Man denke z.B. an so multifunktional<br />

eingesetzte Szenarien wie den Sumpfmensch in der Philosophie des Geistes.<br />

29 Noch dazu nehmen Einstein und Bohr Änderungen am Szenario vor, wie Bishop selbst schreibt. Bishop [ERfT]<br />

21.<br />

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