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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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Daß Rechtfertigungen, die sich darauf berufen, wie es uns scheint, wenig austragen, haben wir<br />

bereits in Kapitel 6.3.1 gesehen. Wie also sollten wir dann mit dem Umstand umgehen, daß es in<br />

vielen <strong>Gedankenexperimente</strong>n zunächst an Rechtfertigungen für Beurteilungen mangelt?<br />

Insbesondere müssen wir uns die Frage gefallen lassen, warum wir solche Urteile gut gestützten<br />

Urteilen vorziehen sollten.<br />

<strong>Eine</strong>n Grund zur Gelassenheit gegenüber einer solchen Frage bietet der Blick auf<br />

Wahrnehmungsmeinungen. Auch zu Wahrnehmungsmeinungen können wir häufig nur wenig an<br />

Rechtfertigung angeben, ein Umstand, der diese Meinungen nicht in besonderer Weise<br />

unzuverlässig erscheinen läßt. Zwar habe ich in Kapitel 6.3.2 argumentiert, daß der Vergleich mit<br />

Wahrnehmungsmeinungen nicht nützlich ist, wenn man auf der Suche nach einer besonderen Art<br />

Rechtfertigung ist. Wenn es aber nur darum geht, sich ob des Umstandes zu beruhigen, daß<br />

Beurteilungen in <strong>Gedankenexperimente</strong>n nicht die einzigen Urteile sind, zu denen wir berechtigt<br />

sind, ohne eine Rechtfertigung angeben zu können, so sind Wahrnehmungsurteile ein exzellentes<br />

Beispiel.<br />

Allerdings hinkt der Vergleich mit Wahrnehmungsurteilen an entscheidender Stelle. Denn wie ich<br />

bereits mehrfach betont habe, bilden die Beurteilungen von Szenarien keine einheitliche Klasse<br />

wie die Wahrnehmungsmeinungen, deren Rechtfertigungsstandards man nun explizieren könnte.<br />

Es existieren alle möglichen Arten von Beurteilungen, die z.B. eher kausalen, begrifflichen oder<br />

normativen Charakter haben. Haben wir es bei den bemängelten Beurteilungen also einfach mit<br />

schlecht begründeten Urteilen welcher Art auch immer zu tun?<br />

Nein. Denn wir können zwar oft wenig zur Rechtfertigung sagen, aber unsere Rechtfertigungen<br />

sind damit nicht besser oder schlechter als die anderer ganz normaler empirischer Urteile. Ich<br />

habe bereits argumentiert, daß es sich bei Beurteilungen in <strong>Gedankenexperimente</strong>n um ganz<br />

normale Urteile handelt. Im Gegensatz zu dem, was der Einwand nahelegt, der auf unbegründete<br />

Urteile zielt, sind unsere Beurteilungen von Szenarien gar nicht schlechter begründet als andere<br />

Urteile. Der Einwand ruht auf der Verwechslung der beiden Rechtfertigungsprojekte, die ich in<br />

Kapitel 5 skizziert habe. Wenn es darum geht, tatsächlich Rechtfertigungen anzugeben, um<br />

strittige Meinungen zu begründen, so ist die Unfähigkeit, eine explizite Rechtfertigung<br />

anzugeben, nicht in allen Kontexten gleich fatal. Wir erlauben oft minimale Antworten auf<br />

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