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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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notwendige Bestandteile von <strong>Gedankenexperimente</strong>n sind, während Schritt zwei in besonderen<br />

Fällen fortfallen kann. 15<br />

Wir können <strong>Gedankenexperimente</strong> nun in verschiedener Hinsicht klassifizieren. Indem ich einige<br />

Unterscheidungen einführe, bekommen wir einen Eindruck vom großen Spektrum, das vom<br />

Wort ‚Gedankenexperiment’ abgedeckt wird.<br />

Die argumentativen Funktionen teilen sich zunächst in drei Klassen, nämlich destruktive,<br />

konstruktive und illustrative. 16 Wenn <strong>Gedankenexperimente</strong> eine Funktion in <strong>philosophischer</strong><br />

Argumentation haben, füllen sie auch eine dieser drei Rollen aus. Sie wenden sich gegen eine<br />

These oder Theorie, sie sollen eine These oder Theorie im weitesten Sinne erweisen oder nahe<br />

legen, oder sie sollen etwas verdeutlichen. Jede dieser sehr weiten Klassen umfaßt viele spezielle<br />

argumentative Funktionen. Bevor ich auf einige von ihnen zu sprechen komme, will ich aber<br />

weitere Unterscheidungen vorstellen, anhand derer sich das Terrain kartographieren läßt.<br />

Die argumentative Funktion von <strong>Gedankenexperimente</strong>n besteht darin, daß etwas philosophisch<br />

ausgenutzt wird. <strong>Gedankenexperimente</strong> unterscheiden sich stark darin, was genau ausgenutzt<br />

wird. 17 Ich unterscheide vier Klassen: <strong>Gedankenexperimente</strong>, in denen die Möglichkeit oder<br />

Unmöglichkeit des Szenarios ausgenutzt wird, solche in denen eine Beurteilung ausgenutzt wird,<br />

solche in denen mehrere Beurteilungen ausgenutzt werden und solche, in denen die Beurteilung<br />

bereits die zu erweisende oder abzulehnende These ist.<br />

Die dritte Unterscheidung, die mich an dieser Stelle interessiert, betrifft die Art, in der die<br />

Beurteilung des Szenarios sowie die Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Szenarios erweist<br />

werden. 18 In manchen <strong>Gedankenexperimente</strong>n wird dafür explizit argumentiert, in anderen<br />

fehlen solche Argumente. Vor allem können die Argumente selbst sehr verschiedene Form<br />

annehmen von deduktiven Schlüssen bis hin zu Analogieschlüssen.<br />

15 Vgl. die Kapitel 1.1.1.1 und 1.1.1.2.<br />

Zwei Bemerkungen zu meiner Terminologie: Erstens mag es zunächst unpassend erscheinen, die argumentative<br />

Funktion als Teil des <strong>Gedankenexperimente</strong>s zu betrachten. Daß dieses Vorgehen sinnvoll ist, belege ich in Kapitel<br />

1.1.1.2. Ich lasse an dieser Stelle bewußt offen, welche Elemente Träger der Funktion sind. In Kapitel 1.1.3 erkläre<br />

ich genauer, welche Elemente und Kombinationen von Elementen argumentativ ausgenutzt werden können.<br />

Zweitens, das Wort „Beurteilung“ ist hier als Terminus technicus zu verstehen. An dieser Stelle ist noch völlig offen,<br />

was Beurteilungen sind. Z.B. lasse ich zu, daß Beurteilungen sich als eine Art mentaler Versuchsablauf herausstellen,<br />

den wir beobachten. Aber natürlich habe ich das Wort so gewählt, daß es Konnotationen trägt, die zu meinen<br />

späteren Ausführungen passen werden. Ich will insbesondere sagen, daß wir ganz gewöhnliche Urteile fällen und<br />

mich von dem unglücklichen Ausdruck „Intuition“ abgrenzen.<br />

16 Vgl. die Kapitel 1.1.2.1-3.<br />

17 Vgl. Kapitel 1.1.3.<br />

18 Vgl. Kapitel 1.1.4.<br />

11

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