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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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das Szenario in einem anderen Sinn nicht sehr wohl möglich sein kann und damit auch<br />

beurteilbar. Zweitens können wir fremde Szenarien tendenziell in weniger Hinsichten beurteilen<br />

als sehr vertraute Szenarien. Dies kann ein Problem für die Beurteilung bedeuten, um die es im<br />

Gedankenexperiment geht, z.B. weil wir nicht mehr sagen können, ob Voraussetzungen der<br />

Anwendung eines Begriffes gegeben sind. Es kann aber für die konkrete Beurteilung auch völlig<br />

ohne Bedeutung sein. Drittens schließlich haben wir am Beispiel ethischer Diskussionen gesehen,<br />

daß sehr fremde Fälle für konkrete Probleme ganz ohne Relevanz sein können. Allerdings wird<br />

die Klasse fremder Szenarien in dieser Begründung sehr weit gefaßt.<br />

Durch <strong>Gedankenexperimente</strong> gelangen wir nicht zu privilegiertem Wissen. Weder sind die<br />

Beurteilungen von Szenarien und Möglichkeitsurteile besonders sicher, noch immun gegen<br />

Revision. Ich habe <strong>Gedankenexperimente</strong> gegen verschiedene Theorien in Schutz genommen,<br />

die ihnen auf die eine oder andere Weise einen solchen Sonderstatus zuschreiben wollen. <strong>Eine</strong><br />

solche Theorie behauptet die spezielle Rechtfertigung von Möglichkeitsurteilen durch die<br />

Vorstellbarkeit des Szenarios. <strong>Eine</strong> andere, daß wir aus <strong>Gedankenexperimente</strong>n in erster Linie<br />

über unsere Sprache oder Begriffe lernen. Schließlich habe ich verschiedene Thesen<br />

unterschieden, die sich hinter der Formulierung verbargen, daß unsere Beurteilungen durch<br />

Intuitionen gerechtfertigt sind. All diesen Theorien ist gemeinsam, daß das Wissen, welches wir<br />

durch <strong>Gedankenexperimente</strong> erwerben, sich radikal von anderem Wissen unterscheiden soll, weil<br />

es in besonderer Weise gerechtfertigt ist. Doch diese Idee läßt sich nicht halten. Wir urteilen über<br />

fiktive und kontrafaktische Szenarien in <strong>Gedankenexperimente</strong>n nicht anders als wir alltäglich<br />

kontrafaktisch urteilen. In unsere Urteile geht nicht nur Sprachwissen oder Wissen über unsere<br />

Begriffe ein, sondern genauso ganz gewöhnliches empirisches Wissen (und falsche oder schlecht<br />

begründete empirische Meinungen). Schließlich trägt die Berufung auf Intuitionen als<br />

Rechtfertigungsquelle gar nichts aus. Sie ist ein überflüssiger Schritt, der verdeckt, wie die wahren<br />

Rechtfertigungen aussehen.<br />

Man muß <strong>Gedankenexperimente</strong> ebenso gegen Theorien in Schutz nehmen, welche ihnen einen<br />

eingeschränkten argumentativen Wert unterstellen, weil sie die unplausiblen Thesen zum<br />

epistemologischen Status von <strong>Gedankenexperimente</strong>n übernehmen. Solche Theorien, die z.B. die<br />

Berufung auf Vorstellbarkeit oder Intuitionen zu Recht problematisch finden, gehen fehl, indem<br />

sie nicht zwischen dem weitestgehend unproblematischen <strong>Verfahren</strong> Gedankenexperiment und<br />

den übersteigerten Ansprüchen mancher Philosophen an dieses <strong>Verfahren</strong> unterscheiden.<br />

Die Idee, daß Beurteilungen von Szenarien Intuitionen sind, ist unplausibel, wenn sie bedeuten<br />

soll, daß unsere Beurteilungen besonders unsicher sein sollen. Solche Thesen orientieren sich<br />

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