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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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nicht auszahlen sollen, aber mit ein wenig Nachdenken wird man einsehen, daß es sinnvoll ist,<br />

den Jungen nicht auszuzahlen.“ 310<br />

Zweitens kann der Handlungsutilitarist zugeben, daß seine Auswertung des Szenarios<br />

kontraintuitiv ist, aber begrüßen, daß unsere Intuitionen korrigiert werden. Die neutrale<br />

Beurteilung des Szenarios wird als bloße Intuition abgetan, im Gegensatz zum fundierten Urteil<br />

gemäß des Handlungsutilitarismus: „Sicher, die handlungsutilitaristische Beurteilung des<br />

Szenarios wirkt wenig plausibel. Aber unsere Intuitionen bezüglich dieses Szenarios führen uns in<br />

die Irre!“<br />

Drittens kann der Handlungsutilitarist erklären, daß sein Gegner das handlungsutilitaristische<br />

Prinzip falsch angewandt hat. Der Handlungsutilitarist beurteilt das Szenario genauso wie alle<br />

anderen auch, die beiden Beurteilungen des Szenarios weichen gar nicht voneinander ab. Der<br />

Fehler des Gegners ist es gewesen, relevante Teile des Hintergrundes nicht zu beachten und<br />

daher zu glauben, der Handlungsutilitarismus lege einen auf unplausible Handlungsanweisungen<br />

fest.<br />

Ich werde mich um diese drei Antworten nicht weiter kümmern. Die Antwort, welche uns<br />

interessiert, weist das Gegenbeispiel zurück mit der Behauptung, daß das Szenario nicht relevant<br />

ist. Genauer gesagt, geht es um den Einwand, daß die Szenarien nicht relevant sind, weil sie in<br />

einem bestimmten Sinn nicht möglich sind. Für die von Brandt genannten Fälle (Rasenmäher,<br />

Gehaltscheck und kranker Vater) ist diese Art Kritik kaum einschlägig. Alle drei Szenarien sind in<br />

jeglichem relevanten Sinne möglich. Erstaunlicherweise richtet sich Donagans erste Kritik auch<br />

gegen eine solche Ablehnung des Falls des kranken Vaters, wenn er schreibt:<br />

To object that the conditions imagined in this example have never been fulfilled, even if the<br />

objection is true (which I doubt), would be beside the point. Moral theory is a priori, as clearheaded<br />

utilitarians like Sidgwick recognized. It is, as Leibniz would say, true of all possible<br />

worlds. 311<br />

Donagan stellt hier moralische Theorie als logisch notwendig dar. Wenn das stimmt, so sollte<br />

dementsprechend die einzige Beschränkung, der moralische Beispiele unterliegen, sein, daß die<br />

vorgestellten Szenarien logisch möglich sein müssen. Das ist zwar, wie wir gesehen haben,<br />

überaus plausibel, aber viel zu weit gefaßt, um als Relevanzkriterium irgendwelchen Einfluß<br />

auszuüben – wie man sehr schön an dem Umstand erkennt, daß die von Brandt genannten,<br />

typischen Beispiele wohl von keinem Utilitaristen als unmöglich abgelehnt würden.<br />

310 Das ist natürlich in gewissem Sinne eher die Ankündigung einer Antwort als die Antwort selbst.<br />

311 Donagan [ItCF]: 188f. Ich ignoriere im Folgenden jegliche Probleme, die mit Donagans Gleichsetzung von a<br />

priori und notwendig einhergehen. Uns interessiert hier Notwendigkeit.<br />

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