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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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Herausforderungen. 439 Und insofern stehen Beurteilungen von Szenarien genauso gut da wie<br />

andere Urteile.<br />

Dies ist aber auch gar nicht das Projekt, welches hier zur Diskussion steht. Es geht vielmehr um<br />

eine rationale Rekonstruktion unserer Rechtfertigung oder Berechtigung zu Beurteilungen<br />

vorgestellter Szenarien. In diesem Zusammenhang ist aber verhältnismäßig egal, was das<br />

urteilende Subjekt antworten kann, solange wir ihm entsprechende Berechtigung zuschreiben.<br />

6.3.3 Theoriefreie Urteile<br />

Ein wichtiger Aspekt, auf den Verwender des Wortes „Intuition“ aufmerksam machen möchten,<br />

ist die relative Theoriefreiheit bestimmter Urteile. BonJour z.B. weicht auf „rationale Einsichten“<br />

aus, da er sie nicht verwechselt haben möchte mit einem Begriff<br />

which pertains to judgements and convictions that, though considered and reflective, are not<br />

arrived at via an explicit discursive process and thus are (hopefully) uncontaminated by theoretical<br />

or dialectical considerations. 440<br />

Es geht mir im Folgenden allein um diesen letzten Aspekt, die Theorieunabhängigkeit<br />

bestimmter Urteile. Daß wir in <strong>Gedankenexperimente</strong>n zu relativ theorieunabhängigen Urteilen<br />

gelangen, ist eine Hoffnung, die von häufigen Verwendern des <strong>Verfahren</strong>s immer wieder<br />

geäußert wird und die von Kritikern des <strong>Verfahren</strong>s genauso häufig rundweg abgelehnt wird. Ich<br />

glaube, daß eine bestimmte Spielart der Hoffnung durchaus berechtigt ist, daß man sie aber<br />

scharf gegen drei ganz unbegründete Hoffnungen abgrenzen muß.<br />

Erstens sind Beurteilungen von Szenarien in <strong>Gedankenexperimente</strong>n nicht in dem Sinne<br />

theoriefrei, daß sie unkorrigierbar durch Erfahrung wären oder ein für alle mal entscheidende<br />

Tests von philosophischen Thesen darstellen. Dies war sowohl eine der wenigen Lehren, die aus<br />

dem Vergleich mit Experimenten gezogen werden konnten, als auch der ganz unstrittige Teil der<br />

Überlegungen von Häggqvist und Mayer in den Kapiteln 6.1 und 6.2.1. Wie alle unsere<br />

Meinungen lassen sich auch solche über vorgestellte Einzelsituationen revidieren; die Gründe,<br />

welche wir für sie haben, können durch andere Gründe übertrumpft werden. Kapitel 4.3.3 hat<br />

gezeigt, daß es genauso aussichtslos ist, durch dem Gedankenexperiment nachgelagerte Tests<br />

einen solchen Sonderstatus zu erreichen.<br />

439 In Bezug auf ein bestimmtes Wahrnehmungsurteil und die Nachfrage „Bist Du Dir sicher?“ mag es schon<br />

genügen, „Ja.“ zu sagen.<br />

440 BonJour [iDoP] 102 n.7.<br />

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