07.04.2013 Aufrufe

Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

kümmern werden. Es ist mir wichtig, festzuhalten, daß, so unspektakulär der Vorwurf der<br />

Unterbeschreibung auch sein mag, er in der Praxis oft angebracht ist. Wir besitzen dabei<br />

verschiedene Strategien mit ihm umzugehen. Man kann die Beschreibung des Szenarios<br />

verbessern, man kann das Gedankenexperiment aufgeben, man kann feststellen, daß eine andere<br />

Frage, die für die philosophischen Zwecke ausreichend ist, sehr wohl beantwortbar ist, usw.<br />

Ganz anders sieht die Lage beim weitergehenden Einwand aus. Er richtet sich gegen ganze<br />

Klassen von Szenarien, für die nun meist eher angenommen als argumentiert wird, daß sie aus<br />

prinzipiellen Gründen nicht ergänzbar sind und auf welche die einzig richtige Reaktion ist, das<br />

Szenario zurückzuweisen. Es sollen dies besonders fremde Szenarien und insbesondere<br />

naturwissenschaftlich unmögliche Szenarien sein.<br />

3.1.1 Wilkes’ Kritik I: Unterbestimmtheit des Szenarios<br />

Ich untersuche die Plausibilität dieses weitergehenden Einwandes anhand des Ansatzes von<br />

Kathleen Wilkes. Sie bringt in ihrem Buch ‚Real Persons. Personal Identity without Thought<br />

Experiments’ eine Reihe von Kritiken gegen philosophische <strong>Gedankenexperimente</strong> vor.<br />

Problematisch sind laut Wilkes <strong>Gedankenexperimente</strong> mit naturwissenschaftlich unmöglichen<br />

Szenarien:<br />

So we should look rather to the ‘theoretical’, or ‘in principle’ possibility of the relevant<br />

background conditions–the conditions we need to specify before we can be sure both that the<br />

imagined scenario is adequately described, and that the inference from the imagined state of<br />

affairs to the conclusion can be made. This would be the test of validity for a thought experiment. This we<br />

can characterize as a matter of what could or could not happen given our backing scientific<br />

knowledge: what our theories allow to be possible or not. 249<br />

Wilkes möchte also <strong>Gedankenexperimente</strong> als unzulässig auszeichnen, deren Szenario<br />

inkompatibel mit unserem wissenschaftlichen Wissen ist. Allerdings sind nicht alle<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> mit dieser Eigenschaft per se problematisch: In einer Reihe von<br />

physikalischen <strong>Gedankenexperimente</strong>n ist die Unmöglichkeit „merely heuristic“. 250 Ganz anders<br />

soll die Sache aber bei philosophischen <strong>Gedankenexperimente</strong>n bestellt sein. Wilkes ist<br />

insbesondere beunruhigt von der großen Zahl von <strong>Gedankenexperimente</strong>n mit sehr fremden<br />

Szenarien in der Debatte um personale Identität, wie sie von Wiggins, Shoemaker, Parfit, Perry<br />

249 Wilkes [RP] 18. (Meine Hervorhebung) Ich lese Wilkes so, daß sie sich gegen naturwissenschaftlich unmögliche<br />

Szenarien wendet. Wie Häggqvist zeigt, changiert Wilkes tatsächlich zwischen verschiedenen<br />

Notwendigkeitsbegriffen. Vgl. Häggqvist [TEiP] 31.<br />

250 Wilkes [RP] 9. So z.B. bezüglich Einsteins Ritt auf einem Lichtstrahl.<br />

129

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!