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Gedankenexperimente Eine Familie philosophischer Verfahren

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0 Einleitung<br />

In philosophy, at least philosophy that is not explicitly<br />

philosophy of science, it seems to me that there is commonly<br />

more epistemic power and persuasiveness in examples than in<br />

principles. One aim of philosophy is to find principles.<br />

Finding them is often surer through reflection on cases than<br />

through trying to think up principles directly. The examples<br />

test and provide counterexamples for putative principles.<br />

They also stimulate discovery. 1<br />

Kaum ein methodisches Element der Philosophie ist so geeignet, philosophische Laien in die<br />

Denkbewegungen der Philosophie hineinzuziehen wie das Gedankenexperiment. Und kaum ein<br />

methodisches Element macht Anfänger so mißtrauisch wie ein Gedankenexperiment, das auf<br />

einem besonders fremden Szenario aufbaut. Im Laufe der philosophischen Sozialisation verlieren<br />

manche Philosophen dieses Mißtrauen, anderen bleibt es erhalten. Präzise und überzeugend zu<br />

sagen, was ein Gedankenexperiment scheitern läßt oder was ein gutes Gedankenexperiment<br />

ausmacht, hat sich allerdings als erstaunlich schwierig herausgestellt. Diese Arbeit ist ein Beitrag<br />

zu diesem großen und gleichwohl wichtigen Thema.<br />

<strong>Gedankenexperimente</strong> sind ein philosophisches <strong>Verfahren</strong>, beinahe so alt wie die Philosophie<br />

selbst. Schon die Vorsokratiker haben <strong>Gedankenexperimente</strong> angestellt2 und mit ihnen<br />

beginnend finden sich die ganze Philosophiegeschichte hindurch bis heute Hunderte von<br />

Beispielen. Als philosophisches Thema dagegen sind <strong>Gedankenexperimente</strong> erst sehr spät<br />

entdeckt worden. Die theoretische Beschäftigung mit dem naturwissenschaftlichen <strong>Verfahren</strong><br />

Gedankenexperiment beginnt erst im 19. Jahrhundert mit den Überlegungen von Ørsted und<br />

Mach. 3 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich eine Reihe von Philosophen sowohl mit<br />

naturwissenschaftlichen als auch mit philosophischen <strong>Gedankenexperimente</strong>n. 4 Danach fällt das<br />

Thema, sieht man von einzelnen Beiträgen ab, in einen Dornröschenschlaf. Erst in den sechziger<br />

und siebziger Jahren setzt die Diskussion wieder richtig ein. Für naturwissenschaftliche<br />

1 Burge [PtIM] 162f.<br />

2 Vgl. Rescher [TEiP] und [wi] 61ff. Für ein Beispiel, siehe Kapitel 1.1.4.2.<br />

3 Ørsted [üGSA]; Mach [EI] 183ff., [MHD] 29, 126. Für eine aktuelle und ausführliche Diskussion der Ansichten<br />

Ørsteds und Machs, siehe Kühne [MG]. Es gibt frühere Bemerkungen von Lichtenberg ([S] KII 308, 309, JII 1571),<br />

die jedoch nicht als ausgereifte, systematische Beschäftigung mit dem Thema Gedankenexperiment gelten können.<br />

Kühne ([MG] 95ff.) weist nach, daß Ørsteds Überlegungen stark von Kant beeinflußt sind und zum Teil<br />

Ausarbeitungen Kantischer Ideen darstellen. Cohnitz ([GiP] 32) Untersuchungen stützen die These, daß erst Mach<br />

den Ausdruck „Gedankenexperiment“ in einem heutigen Sinne verwendet.<br />

4 Dies geschieht vor allem in Reaktion auf Mach. Beispiele sind die Überlegungen von Brentano [üEME] oder<br />

Meinong [üSGi] 67ff. Frühe Ablehnung von <strong>Gedankenexperimente</strong>n findet sich z.B. bei Duhem [ZSPT] 269f.<br />

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