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Stammeschronik - Stamm Voortrekker

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gliedern seines <strong>Stamm</strong>es - »Ritterschaft von Berg« nennen sich die drei. Mit kurzer Lederhose,<br />

Gitarre und Barett ziehen sie dann als wandernder Anachronismus vorbei an Spielhallen,<br />

Multiplex-Kinos und Jugendlichen, die auf Parkbänken sitzen und denken, irgendwo in der<br />

Nähe sei Mittelaltermarkt. Geschlafen wird in der Kote, einem schwarzen Zelt mit Feuerstelle.<br />

Darin sitzen sie abends und singen ihre Lieder, in denen das Leben immer etwas abenteuerlicher<br />

und man selbst immer etwas verwegener ist als in Düsseldorf-Mitte.<br />

Albert Sonnabend gehört zum »bündisch« genannten Teil der Pfadfinder, der seine Wurzeln<br />

in der Jugendbewegung sieht: bei den Wandervögeln, fast ausnahmslos national denkenden<br />

Bürgerkindern, die Ende des 19. Jahrhunderts keine erzieherische Idee wie bei den Pfadfindern,<br />

sondern Flucht vor der Gängelung durch Staat und Eltern in die Natur treibt. Die tagsüber<br />

wandern und abends singend am Feuer sitzen. Nach dem Ersten Weltkrieg formiert sich<br />

diese Bewegung neu, sie wird jetzt »Bündische Jugend« genannt und trifft auf die weitaus<br />

straffer organisierten Pfadfinder. Letztere entdecken gerade neben dem Lager auch die Fahrt<br />

und vor allem die Zeltästhetik jenseits des Militärstils - was die deutschen Pfadfinder bis heute<br />

von fast allen ausländischen Verbänden unterscheidet. Dieser Hang zum Nomadischen,<br />

zum Wandern und Unterwegssein, er scheint ein deutscher Zug zu sein.<br />

Durchs Siebengebirge ist Albert Sonnabend mit seinen Freunden schon gewandert und innerhalb<br />

von zwei Wochen 2000 Kilometer durch Frankreich getrampt. Sie sind im Herbst an der<br />

Loreley gewesen, und als ihnen die Irlandreise des <strong>Stamm</strong>es nicht reichte, sind sie nach der<br />

Rückkehr noch für ein paar Tage an die Lahn gefahren. »Es hat schon Leute gegeben«, sagt<br />

er, als sei ihm das selbst nicht ganz geheuer, »die sind davon nicht mehr runtergekommen.«<br />

Zurück kommen sie dann mit Geschichten wie der von der Winterfahrt ins Sauerland. 13 Jahre<br />

alt waren sie und sind in kurzer Lederhose und statt Schlafsack nur mit Decke gereist, weil<br />

sie »cool und kernig« sein wollten. Schon am zweiten Abend waren Kleidung und Wechselwäsche<br />

nass, und trockenes Feuerholz gab es nicht. Da haben sie sich zwei Scheite von einem<br />

Bauern besorgt und Nudeln gekocht. Dann begann es zu schneien. Bei sechs Grad minus rollten<br />

sie am anderen Morgen die Isoliermatten samt Zelt zu einer einzigen dicken Wurst, weil<br />

die Finger steif waren.<br />

Vor allem diese Verbindung von Körperlichkeit und Gruppenerlebnis, sagt Jugendforscher<br />

Hurrelmann, mache den Reiz der Pfadfinder aus. Selbst in Sportvereinen lasse sich das in<br />

dieser Form nicht finden, wo Wettbewerb und Leistung der Ansporn seien und die Konkurrenzsituation<br />

die Gruppe zusammenschweiße. Auch sei der Einzelne - sofern es sich nicht um<br />

Leistungssportler handele - meist entbehrlich. Aufeinander angewiesen zu sein, gegenseitige<br />

Anerkennung zu finden und das Gefühl, gebraucht zu werden, und eine klar definierte Verantwortung<br />

seien dagegen der Kitt, der eine Pfadfindergruppe zusammenhalte.<br />

Eine Sippe zum Beispiel. Sie ist die kleinste Einheit eines <strong>Stamm</strong>es, im Idealfall zwischen<br />

sechs und acht Personen groß und nicht nach Stärken oder Geschlecht gebildet, sondern nach<br />

ähnlichem Alter. Eine Schicksalsgemeinschaft en miniature, deren Mitglieder sich selbst erziehen<br />

und unterwegs mit den Stärken des einen die Schwächen des anderen ausgleichen.<br />

Heimweh, Erschöpfung, Schludrigkeit, Übermut. Das Sippensystem, hat Baden-Powell geschrieben,<br />

sei das »wesentliche Merkmal, in der sich die Pfadfindererziehung von der aller<br />

anderen Organisationen unterscheidet«.<br />

Sippen, Stämme, Fahrten. Über Jahre hin hat sich die Pfadfinderei im Leben des Albert Sonnabend<br />

immer mehr ausgedehnt. Selbst im eigenen Zimmer ist er noch auf Fahrt. Wie in einem<br />

etwas wirren Themenraum hängen darin Fotos von Lagerfeuern an der Wand, ein aus einer<br />

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