Zensursula und negative Verantwortungsattribution - Netzpolitik
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8. Fazit<br />
(Beziehungsmanagement) <strong>und</strong> dem Austausch privater <strong>und</strong> öffentlicher<br />
Informationen (Informationsmanagement). Der Nutzer erstellt sich damit eine eigene<br />
persönliche Öffentlichkeit, die geteilte Informationen besonders aufmerksam verfolgt.<br />
Das in dieser Arbeit untersuchte soziale Netzwerk Twitter legt einen besonderen<br />
Schwerpunkt auf die Veröffentlichung kurzer Botschaften mit maximal 140 Zeichen,<br />
sogenannter Tweets. Auch als Micro-Bloggingdienst beschrieben, basiert das<br />
Beziehungsnetzwerk – in der Twitter-Semantik Friends <strong>und</strong> Follower – auf keinem<br />
zweiseitigem Bestätigungszwang, prinzipiell kann jeder mit jedem verb<strong>und</strong>en sein.<br />
Für die Mobilisierungskraft entscheidend sind vornehmlich zwei Faktoren: Zum einen<br />
besteht die Möglichkeit, auf das soziale Netzwerk Twitter über Drittanwender-<br />
Anwendungen oder das eigene Handy zuzugreifen, zum anderen erlauben spezielle<br />
Funktionen die schnelle Weiterleitung von Nachrichten (Retweet – RT) aus dem<br />
Beziehungsnetzwerk. Sein Mobilisierungspotenzial hat Twitter bereits im „arabischen<br />
Frühling“ beweisen können, aber auch hierzulande haben diverse Kampagnen<br />
Maßstäbe für die Protestkommunikation im politischen Raum gesetzt. Die<br />
<strong>Zensursula</strong>-Kampagne gilt beispielsweise als Maßstab „für die digitale<br />
Kampagnenführung“ 283 von besonders gut vernetzten Akteuren außerhalb der<br />
etablierten Parteien.<br />
Politische Proteste oder vielmehr blame, also die „Zurechnung von schlechten oder<br />
falschen Handlungen zu einer Person oder einem Gebilde“ 284 sind dem blame<br />
avoidance-Konzept zufolge Erscheinungen, die politische Akteure nach Möglichkeit<br />
aktiv verhindern wollen. Die Vermeidung von blame ist für politische Akteure<br />
wichtiger als das Feiern lassen für populäre Maßnahmen oder Erfolge. Gr<strong>und</strong>lage für<br />
diese Annahme ist der negativity bias, der psychologische Effekt, dass Menschen<br />
<strong>negative</strong>n Informationen mehr Gewicht geben als gleichwertigen positiven<br />
Informationen. Die öffentliche Meinung ist entscheidend für die politische Sprengkraft<br />
von blame. Je mehr Menschen einer Person oder einer Institution<br />
(Verfassungsorgan, Partei, Gesetz, etc.) die Schuld an schlechten oder falschen<br />
Entscheidungen zuweisen, desto stärker ist diese ausgeprägt bzw. wird<br />
entsprechend als solche wahrgenommen. Gradmesser des öffentlichen blame ist die<br />
Vermittlung <strong>und</strong> Zuschreibung von Verantwortung für fehlerhaftes Verhalten durch<br />
283<br />
284<br />
Bieber, Christoph, 2010: a.a.O., hier 54.<br />
Eigene Übersetzung aus: Hood , Christopher 2011: a.a.O., hier 64.<br />
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