Zensursula und negative Verantwortungsattribution - Netzpolitik
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3. Politisches Handeln <strong>und</strong> seine Auswirkungen auf die öffentliche Meinung<br />
falschen Entscheidungen zuweisen, desto stärker ist diese ausgeprägt bzw.<br />
wird entsprechend als solche wahrgenommen. Gradmesser des öffentlichen<br />
blame ist die Vermittlung <strong>und</strong> Zuschreibung von Verantwortung für fehlerhaftes<br />
Verhalten durch die Massenmedien. Die Rekonstruktion <strong>und</strong> Kommentierung<br />
von politischem Handeln durch die massenmediale Berichterstattung hat<br />
maßgeblichen Einfluss auf das Meinungsbild der Bürger. Ihre „Einschätzungen<br />
<strong>und</strong> Bewertungen von politischen Akteuren <strong>und</strong> Themen speist sich in einem<br />
nur sehr begrenzten Ausmaß aus unmittelbarer Erfahrung, sie resultiert in<br />
erster Linie aus der Beobachtung der massenmedialen Öffentlichkeit“. 137 Je<br />
wichtiger <strong>und</strong> mächtiger Politiker sind, desto größer ist die massenmediale<br />
Aufmerksamkeit <strong>und</strong> desto wahrscheinlicher <strong>und</strong> mit hoher Intensität werden<br />
Fehltritte mit blame geahndet.<br />
Verschiedene politikwissenschaftliche Studien zu Demokratieunzufriedenheit 138 ,<br />
Wahlverhalten 139 <strong>und</strong> <strong>Verantwortungsattribution</strong> 140 haben die Annahmen von<br />
Weaver weitestgehend bestätigt <strong>und</strong> empirisch belegt. 141 Blame avoidance ist<br />
dabei insbesondere in politischen Entscheidungen mit einer extrem hohen<br />
Tragweite wie in der rückbauorientierten Reformpolitik 142 des Wohlfahrtsstaates<br />
(Arbeitsmarkt, Rente, Ges<strong>und</strong>heit) untersucht worden. 143 Czada definiert blame<br />
avoidance in diesem Zusammenhang auch als „die Konstruktion von<br />
Sündenböcken <strong>und</strong> der Verschleierung von Verteilungseffekten“ 144 , da hier<br />
137<br />
138<br />
139<br />
140<br />
141<br />
142<br />
143<br />
144<br />
Jürgen Gerhards/Anke Offerhaus/Jochen Roose, 2009: Wer ist verantwortlich? Die<br />
Europäische Union, ihre Nationalstaaten <strong>und</strong> die massenmediale Attribution von<br />
Verantwortung für Erfolge <strong>und</strong> Misserfolge. In: Barbara Pfetsch/Frank Marcinkowski<br />
(Hrsg.): Politik in der Mediendemokratie. Wiesbaden: 529-558, hier 529.<br />
Christopher Hood, 2007: What happens when transparency meets blame-avoidance?<br />
In: Public Management Review 9(2): 191-210.<br />
Christopher Hood, 2009: Risk management and blame-avoidance: a political science<br />
perspective. Paper for conference "Managing the social impacts of change from a risk<br />
perspective" 15.-17.04.2009.<br />
Jürgen Gerhards/Anke Offerhaus/Jochen Roose, 2009: a.a.O.<br />
Christopher Hood, 2009: a.a.O.<br />
Zum Begriff der rückbauorientierten Reformpolitik vgl. Wenzelburger, S. 77f<br />
Vgl. Paul Pierson, 1995: The new politics of the welfare state. ZeS-Arbeitspapiere 3/95.;<br />
vgl. Christoffer Green-Pedersen, 2002: The Politics of Justification. Party Competition<br />
and Welfare-State Retrenchment in Denmark and the Netherlands from 1982 to 1998,<br />
Amsterdam.; vgl. Reimut Zohlnhöfer, 2007: The politics of budget consolidation in<br />
Britain and Germany. The impact of blame avoidance opportunities. In: West European<br />
Politics 30: 1120-1138.<br />
Roland Czada, 2008: Irrwege <strong>und</strong> Umwege in die neue Wohlfahrtswelt. In: Rolf<br />
Heinze/Adalbert Evers (Hrsg.): Sozialpolitik Ökonomisierung <strong>und</strong> Entgrenzung.<br />
Wiesbaden: 186-207, hier 192.<br />
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