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Zensursula und negative Verantwortungsattribution - Netzpolitik

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4. Gesetzgebungsprozess zum Zugangserschwerungsgesetz<br />

Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens, stellte aber auch klar, dass sie die<br />

Zugangssperren zunächst nicht vornehmen, aber dafür die Löschung der Seiten<br />

vorantreiben wolle. 192 Eine neue Gesetzesinitiative zur alleinigen Löschung von<br />

kinderpornographischen Inhalten, statt deren Sperrung, werde ebenfalls<br />

angestrebt, die Erfahrungen aus der für die Nichtanwendung des<br />

Zugangserschwerungsgesetzes getroffenen Regeln sollten in den<br />

Gesetzgebungsprozess mit einfließen. Da B<strong>und</strong>espräsident Köhler keine<br />

verfassungswidrigen Bedenken mehr hatte, wurde das Gesetz schlussendlich<br />

von ihm unterzeichnet <strong>und</strong> trat am 23. Februar 2010 in Kraft.<br />

Kurz vor Inkrafttreten schickte das B<strong>und</strong>esministerium des Innern als oberster<br />

Dienstherr einen Nichtanwendungserlass an das B<strong>und</strong>eskriminalamt. Das BKA<br />

soll seinen im Gesetz „eingeräumten Beurteilungsspielraum dahingehend […]<br />

nutzen, dass keine Aufnahme in Sperrlisten erfolgt <strong>und</strong> Zugangssperren<br />

unterbleiben“. 193 Stattdessen sollen die geschaffenen Personalressourcen auf<br />

die Löschung der Inhalte konzentriert, der Erfolg der Maßnahmen protokolliert<br />

<strong>und</strong> nach einem Jahr evaluiert werden. Der Nichtanwendungserlass ist<br />

eigentlich ein Instrument des B<strong>und</strong>esministeriums der Finanzen, das die<br />

Finanzverwaltung anweist, Gr<strong>und</strong>sätze in Urteilen des B<strong>und</strong>esfinanzhofes „über<br />

den entscheidenden Einzelfall hinaus nicht anzuwenden“. 194 In der Regel sind<br />

dies Entscheidungen zum Vorteil der Steuerzahler, daher ist der<br />

Nichtanwendungserlass regelmäßig heftiger Kritik ausgesetzt. Zum ersten Mal<br />

wurde nun ein Nichtanwendungserlass auf ein Gesetz angewandt. Eine<br />

„rechtsstaatlich äußerst fragwürdige Lösung, weil es nicht Sache der Exekutive<br />

ist, über die Anwendung eines Gesetzes zu entscheiden. Es gilt hier der<br />

Verfassungsgr<strong>und</strong>satz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.“ 195<br />

Verschiedentlich wurde dieses Konstrukt als „ein gezielter<br />

Verfassungsverstoß“ 196 gewertet, der aber der höchstrichterlichen Bewertung<br />

192<br />

193<br />

194<br />

195<br />

196<br />

BMI/BMJ: Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Bekämpfung der<br />

Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen. In: http://blog.odem.org.<br />

Alvar Freude, 19.02.2012: Anweisung des Innenministeriums ans BKA zu Internet-<br />

Sperren. In: http://blog.odem.org.<br />

Desens, Marc, 2011: Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung. Tübingen:<br />

13.<br />

Thomas Stadler, 16.10.2009: Nichtanwendungserlass für das<br />

Zugangserschwerungsgesetz. In: internet-law.de.<br />

Christoph Schnabel, 2011: Die Nichtanwendung des Zugangserschwerungsgesetzes –<br />

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