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Zensursula und negative Verantwortungsattribution - Netzpolitik

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1. Einleitung<br />

online eingereichten) Petition erreichte die Protestwelle im Juni 2009 auch den<br />

Petitionsausschuss des Deutschen B<strong>und</strong>estages, der sich auf diese Weise mit<br />

den Argumenten der Internetsperren-Gegner befassen musste. Die Petition<br />

bildete den Höhepunkt des „<strong>Zensursula</strong>“-Protests. Denn die Eingabe auf der<br />

Internetplattform des B<strong>und</strong>estages zeichneten insgesamt 134.015 Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger in der dafür gesetzlich vorgesehenen Frist mit. In den sozialen<br />

Netzwerken organisierten sich die Gegner des Gesetzes in verschiedenen<br />

Gruppen („StudiVZ“, „Facebook“, „wer-kennt-wen“), äußerten mit schwarzen<br />

Balken auf Profilbildern ihren Unmut über die vermeintlichen<br />

Zensurmaßnahmen <strong>und</strong> setzten unzählige Nachrichten mit dem Hashtag<br />

„#zensursula“ auf dem Onlinedienst Twitter ab. 8 Unabhängig von diesem<br />

Protest an dem von ihrem Ministerium verantworteten Gesetz <strong>und</strong> ihrer Person<br />

zählt Ursula von der Leyen in Umfragen bis heute zu den beliebtesten<br />

Politikerinnen der B<strong>und</strong>esrepublik. Diesen Umstand kommentierte einer der<br />

prominentesten deutschen Twitterer, Sascha Lobo, ironisierend mit einem<br />

angedeuteten Programmcode: „‘Ursula von der Leyen ist im Volk beliebt.‘<br />

WHILE ($volk = ($alle - $internet))“ 9 . In dieser netztypischen Kurzform wollte<br />

Lobo damit zum Ausdruck bringen, dass die Behauptung „Ursula von der Leyen<br />

ist im Volk beliebt“ solange wahr ist, wie unter „dem“ Volk ($volk) sämtliche<br />

B<strong>und</strong>esbürger mit Ausnahme der Netzaktivisten ($internet) verstanden werden.<br />

Im Dezember 2011 trat das Zugangserschwerungsgesetz außer Kraft.<br />

Innerhalb von drei Jahren hatte sich das in einer namentlichen Abstimmung<br />

erzielte Einvernehmen einer großkoalitionären Mehrheit in eine<br />

fraktionsübergreifende Zustimmung zur Aufhebung des Gesetzes mit nur einer<br />

einzigen Gegenstimme gewandelt. 10 Bereits zuvor war das B<strong>und</strong>eskriminalamt<br />

(BKA) per Erlass des B<strong>und</strong>esministeriums des Innern (BMI) angewiesen<br />

worden, keine sogenannten Sperrlisten zu erstellen. 11 Auf diese Weise kam das<br />

Gesetz faktisch nie zur Anwendung – ein in der Rechtsgeschichte der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik nie zuvor dagewesener Präzedenzfall. Verschiedentlich wurde<br />

dieser Vorgang als politische Niederlage für Ursula von der Leyen interpretiert,<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

Zur Twitter-Systematik <strong>und</strong> -Semantik vgl. Abschnitt 2.2<br />

https://twitter.com/saschalobo/statuses/15241571687 (Stand 06:08.2012)<br />

Bei einer einzigen Gegenstimme, vgl. BT-Plenarprotokoll 17/146, 17459A.<br />

Vgl. Abschnitt 4.4<br />

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