R - Brasiliana USP
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mehr als die eines jeden früheren Zeitalters sträubet; aber, — wir bedauern es sagen zn<br />
müssen, — unsere, auf mehrjährige Beobachtung der brasilianischen Ureinwohner gegründete,<br />
Ueberzeugung kann sich mit der allgemeinen Ansicht von der Perfectibilität der rothen Menschenrace<br />
nicht vereinigen. Wenn alle die zahlreichen und verschiedenartigen Versuche, diese<br />
Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten unter die übrigen Bewohner America's einzuführen,<br />
vergeblich gewesen sind; wenn dabei eine unverhältnissmässige SterbHchkeit darauf<br />
hindeutet, dass diese Kinder eines Welttheils voU überschwengHchen materieHen Lebens mit<br />
einer an geistiger Lebensintensität so armen Leibesbeschaffenheit begabt seyen, — so müssen<br />
wir uns zu dem Schlüsse hinneigen, dass sie die höhere Entwickelung, welche Europa ihnen<br />
einimpfen will, nicht ertragen können, ja dass die steigende Civilisation, welche das Lebens-<br />
Element blühender Menschengeschlechter ist, sie gerade, wie ein zerstörendes Gift aufreibt,<br />
und dass sie, wie manches Andere in der Reihe der Naturwesen, bestimmt scheinen, sich<br />
aufzulösen und aus der Zahl der Lebendigen zu treten, bevor sie die höhere Stufe, deren<br />
Keim in ihnen vorgebildet ist, erreicht haben. Somit denken wir uns die rothen Menschen<br />
als einen verkümmerten Ast am Stamme des menschHchen Geschlechtes, bestimmt, gleichsam<br />
nur typisch, einen körperlichen Ausdruck gewisser Eigenschaften darzustellen, die zu dem<br />
Gesammtcyclus gehören, denen der Mensch als Naturfactum unterworfen ist, aber unvermögend,<br />
die höheren Blüthen und Früchte der Humanität aus sich hervorzutreiben.<br />
Wer sich zu einer ähnlichen Ansicht von der Natur der americanischen Race bekennen<br />
kann, wird mit Mitleiden auf die Mittel blicken, welche einer menschenfreundHchen Regierung<br />
zu Jener Gunsten übrig bleiben. Die erleuchtetsten Staatsmänner Brasiliens sind bereits zu<br />
der Ueberzeugung gelangt, dass das Land im 'Allgemeinen durch Gründung neuer Aldeas keine<br />
mit den Kosten im Verhältniss stehende Vortheile, am wenigsten bedeutende Vermehrung der<br />
Population, erreichen werde, da man allgemein glaubt, die indianische Race sterbe allmälig<br />
aus. Was noch gegenwärtig auf Staatskosten zur Civilisation der Botocudos, in den Urwäldern<br />
zwischen Porto Seguro und Minas Geraes, geschieht, bezweckt vorzüglich nur, sie den Anwohnern<br />
unschädlich zu machen: und ausserdem ist den andern Gassen der brasilianischen Bevölkerung<br />
überlassen, nach Gutbefinden sich der Indianer zu ihren häuslichen Zwecken zu bedienen.<br />
Aber auch in dieser Rücksicht erwartet man mit jedem Jahre weniger von den Ureinwohnern<br />
, was unter andern besonders durch die ausserordentlich starke Einführung von Neger-<br />
Sclaven beurkundet wird, die in den Jahren 1822 bis 1827 blos nach Rio de Janeiro mehr<br />
als 40,000 Köpfe betragen hat. Wenn daher die Regierung aus Gründen, welche in der richtigen<br />
Beurtheilung ihrer Kräfte beruhen, eine fortwährende in's Einzelne gehende Fürsorge für<br />
die Indianer aufgeben muss, scheint uns nur von einer Seite her noch Hülfe mögHch, um<br />
den durch die Natur selbst vorbereiteten Untergang jenes beklagenswürdigen Geschlechtes aufzuhalten<br />
und hinaus zu schieben. Die Klöster sind auch jetzt reich und mächtig genug, um<br />
auf ihre eigenen Kosten, selbst im entlegerien Innern, Missionen zu unterhalten, dort die Indianer<br />
in dem Genuss einer ihrem NatureU angemessenen Freiheit um sich zu versammeln, zu<br />
bilden und für die Zwecke des Staates wirksam zu machen.' Durch eine solche Richtung ihrer<br />
Thätigkeit würden sie auch jene Popularität und jene Würdigung von Seiten der Regierung<br />
wieder gewinnen, welche, besonders in den volkreichen und von vielen Fremden besuchten<br />
Seestädten, in gleichem Verhältnisse mit den Fortschritten der Aufklärung und der Erhöhung der<br />
Staatsbedürfnisse abnehmen musste.<br />
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