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GESELLSCHAFT & WIRTSCHAFT<br />
2.2 EU-Osterweiterung<br />
Die zweite Wiedervereinigung<br />
Europa hat Grund zur Zuversicht, meint Roger de Weck. Der Publizist<br />
sieht gute Chancen für eine erfolgreiche Integration der Beitrittsländer.<br />
Die Herausforderung ist diesmal vor allem politischer Natur.<br />
V ON ROGER DE WECK<br />
„Mit Wettbewerb<br />
und Marktöffnung<br />
sind die meisten<br />
Unternehmen<br />
in den Beitrittsländern<br />
bereits vertraut.“<br />
Roger de Weck, 49,<br />
Publizist<br />
Der deutschen folgt die europäische Vereinigung.<br />
Diese zweite Wiedervereinigung wird Europa<br />
wirtschaftlich fordern, jedoch in keiner Weise<br />
überfordern. Das ist der Unterschied zwischen<br />
2004 und 1990.<br />
Als die Bundesrepublik fünf neue Länder aufnahm,<br />
stand sie in der Pflicht, das Lebensniveau<br />
von 17 Millionen Ostdeutschen demjenigen der<br />
Westdeutschen anzugleichen. Das war ein politisches<br />
Gebot, sonst wären noch mehr Menschen in<br />
den Westen geströmt. Zudem schreibt das deutsche<br />
Grundgesetz den Behörden vor, für „Einheitlichkeit<br />
der Lebensverhältnisse“ zu sorgen. Mit<br />
anderen Worten musste Westdeutschland in den<br />
vergangenen zwölf Jahren knapp fünf Prozent<br />
seines Bruttoinlandsprodukts für Transfers in<br />
den Osten aufwenden: insgesamt sind dies 1000<br />
Milliarden Euro, vorwiegend zur Finanzierung<br />
des Konsums der Ostdeutschen. Das bedeutet<br />
eine riesige Bürde.<br />
VIER UNTERSCHIEDE<br />
Ganz anders die Ausgangslage bei der europäischen<br />
Vereinigung, aus vier Gründen:<br />
• Ein Teil des Transformationsprozesses in den<br />
mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften<br />
ist bereits vollzogen; mit Wettbewerb und<br />
Marktöffnung sind die meisten Unternehmen<br />
bereits vertraut.<br />
• Bei den Hilfen an Beitrittsländer geht es weniger<br />
um den Konsum als vielmehr um den Auf- oder<br />
Umbau von Strukturen, wie er etwa in Spanien<br />
und Irland mit Erfolg vorgenommen worden ist.<br />
• Die Löhne in den künftigen EU-Staaten entsprechen<br />
der Produktivität, wohingegen sie in den<br />
neuen Bundesländern anfangs emporschnellten.<br />
Und: Schockartige Entwicklungen können über<br />
den Wechselkurs kompensiert werden, was die<br />
deutsche Währungsunion verhinderte.<br />
• Die Transfers nach Osten werden gewiss höher<br />
ausfallen als geplant, aber niemals fünf Prozent<br />
des westeuropäischen „Bruttoinlandsprodukts“<br />
beanspruchen.<br />
Die Osterweiterung birgt wirtschaftlich mehr<br />
Chancen als Gefahren. Im Unterschied zur deutschen<br />
Vereinigung ist die Herausforderung diesmal<br />
vor allem politischer Natur.<br />
ERNÜCHTERUNG UND DYNAMIK<br />
Die Osterweiterung nämlich ist das größte Stabilitätsprogramm<br />
der Weltgeschichte. Dank der<br />
Perspektive einer EU-Mitgliedschaft haben Osteuropas<br />
Regierungen Kraft zu unpopulären Wirtschaftsreformen<br />
aufgebracht. Der Reformdruck<br />
wird zunehmen und politische Spannung erzeugen.<br />
Profiteure dürften jene Populisten sein, die<br />
in das von den Kommunisten hinterlassene Vakuum<br />
der Ideologien drängen.<br />
Diese Ultranationalisten ließen sich bislang im<br />
Zaum halten, denn die Mehrzahl der Bürger will<br />
in die Europäische Union. Nach dem Beitritt und<br />
der unvermeidlichen Ernüchterung (weil die Mitgliedschaft<br />
weder Patentlösung noch Ruhekissen<br />
ist) dürften die Antieuropäer emporkommen.<br />
Indessen werden sie auf Dauer wenig ausrichten,<br />
wenn die Erweiterung eine neue wirtschaftliche<br />
Dynamik nach sich zieht. Menschen mit guten<br />
Aussichten verlieren selten das Augenmaß.<br />
Wir haben die langwierige Integration Westeuropas<br />
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
erlebt und am Ende desselben die spektakuläre<br />
Desintegration des Ostblocks. Jetzt kommt die gesamteuropäische<br />
Union. Europa hat mehr Grund<br />
zur Zuversicht, als es denkt.<br />
56 Two 2003