12.07.2015 Aufrufe

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die endliche Menge alphabetischer Zeichen aber wirdunterlaufen, wenn Bilder selbst aus graphischen Symbolenzusammengesetzt werden. Jonathan Crary spricht von "practicesin which visual images no longer have any reference to anobserver in a `real´, optically perceived world":If these images canbe said to refer to anything, it is to millions of bits of electronic mathematical data.Increasingly, visuality will be situated on a cybernetic and eletrcomagnetic terrain where abstract visual andlingutistic elements coincide and are consumed, circulated and exchanged globally. 23Am Ende zeigt <strong>das</strong> Human-Genome-Projekt an, daß <strong>das</strong> vorgeblichmultimediale Archiv des Lebens im Begriff ist, durch einstrikt numerisches Archiv ersetzt zu werden, in dem Leben eherkalkuliert denn erzählt wird.Theater, theoría, AnatomieZurück zum anatomischen Theater als medialem Dispositiv im<strong>Sinn</strong>e der französischen Apparatus-Theorie vonMedienformationen 24 , <strong>das</strong> auf den <strong>Blick</strong> ausgerichtet ist, odervielmehr: ihn architektonisch ausrichtet, in seinerKonzentration auf einen Schauplatz im Zentrum. Das alteUniversitätsgebäude in Uppsala (Schweden), <strong>das</strong> Gustavianum,enthielt nicht nur eine Buchdruckerei, sondern aufnachträgliche Initiative von Olof Rudbeck 1660 auch einanatomisches Theater für Unterrichtszwecke. Tageslicht fielvon oben hinein; die Architektur aber erinnert an einenTempel: „Gottes Größe sollte bewiesen werden anhand derKörper, die er geschaffen hatte.“ 25 Hier versichert sich derkalte anatomische <strong>Blick</strong>, noch unsicher seiner Radikalität, desreligiösen Diskurses, der ihn aufheizt.<strong>Der</strong> medizinische <strong>Blick</strong> aber schaltet auf Akustik um, wenn derAnblick unerträglich wird. <strong>Der</strong> kalte <strong>Blick</strong> ist zunächst eineDistanzierungstechnik: sich nicht von dem, was man sieht,affizieren lassen. Diese Distanz bricht im Moment des Ekelszusammen. So berichtet ein Arzt, daß er im Jahr 1816 wegen derFettleibigkeit einer Patientin keinen Durchblick auf ihrenKörper hatte. Da erinnert er sich an ein bekanntes akustischesPhänomen: „Wenn man <strong>das</strong> Ohr an <strong>das</strong> Ende eines Stabes anlegt,hört man ganz genau einen Nadelstich am anderen Ende“ 26 - <strong>das</strong>Prinzip des Stethoskops. Foucault übersetzt dieses Befund:„Als materialisierte Distanz überträgt <strong>das</strong> Stethoskop tiefeund unsichtbare Ereignisse auf einer halb haptischen, halbakustische Achse. Die instrumentelle Vermittlung „hält die von23Jonathan Crary, Techniques of the Oberserver, MIT­Press, 1990. Dazu Keller 200024Jean-Louis Baudry, Das Dispositiv, in: Lorenz Engell u. a. (Hg.), Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichenTexte von Brecht bis Baudrillard, Stuttgart (DVA) 1999, xxx25Freie Übersetzung aus dem Schwedischen nach: http://info.uu.se/fakta.nsf/sidor/gustavianum.id74.html26R. Laennec, Traité de l´auscultation médiate, Bd. I, 7f

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!