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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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anderer Dinge, doch gleichzeitig ist jedes elektronische Bikldimmer auch ein Monument seiner selbst, seiner Fernsehtechnikoder noch radikaler des Computerprogramms, <strong>das</strong> es schrieb. Soist jedes Bild auch eine Selbstreferenz des techischenMediums.Es handelt sich beim chirurgischen Kamerablick - in unseremFall als kinematographischer Röntgenblick - um die Ekstasejenes medizinisch-archäologischen <strong>Blick</strong>s, den Michel Foucaultin Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des medizinischen<strong>Blick</strong>s beschrieben hat.Ebenso zeigt es Thomas Alvar Edisons Film Electrocuting anElephant: Das Objekt wie zugleich <strong>das</strong> aufnehmende Kamera-Subjekt stehen unter (ein und demselben?) Strom; Elektrizitätfungiert als Subjekt und Objekt dieses "Archivs des Lebens".Ernst Machs Geschoßphotographie hat diesen elektrischen Funkenzeitkritisch optimiert und dem geschlossenen Regelkreis vonAuslösung und Aufnahme ballistischer Objekte zugeführt.Schon in Mary Shelleys Frankenstein wird ein Korpus elektrischzum Leben erweckt. Die Physiologie des 19. Jahrhunderts hatmit ihren Leichenexperimenten "die Elektrizität aus einerMetapher in ein Medium des Lebens verwandelt" 207 , insbesondersGuillaume-Benjamin Duchenne (genannt Duchenne de Boulogne) mitseiner Publikation von 1862 Mécanisme de la physiognomiehumaine, der nicht mehr nur tote, sondern lebende Personen mitWechselstrom zu Gesichtsausdrücken zwingt und diesen Momentphotographisch fixiert. An die Stelle von Lesemetaphern desLebens treten Auslösungsvorgänge und Meßgeräte , wiekurz darauf auch bei Edweard Muybridge und Étienne Marey - dieAblösung des anatomischen Skalpells durch elektrische Apparateund Strom, der den Körper - weitgehend - unverletzt läßt damitVivisektion ermöglicht.Die ikonographische Tradition hat hier den Schaltkreisvorgezeichnet. Die Ikonologie anatomischer Figuren des Barockhatte totes Fleisch in lebensnahen Gesten dargestellt, und <strong>das</strong>nicht nur metaphorisch: 1870 wird ein geschundener Verbrecherfrisch vom Galgen in Tyburn in den Seziersaal William Huntersverbracht, des ersten Professors für Anatomie an der kurzzuvor gegründeten Royal Academy in London. "Hunters `écorché´,an dem zahllose Studenten, darunter der junge J. M. W. Turner,ds Figurenzeichnen lernten, wurde in zahlreichenBronzegüssen verewigt" 208 - in der Pose eines Rhetors:207Hans­Christian von Herrmann / Bernhard Siegert, Beseelte Statuen ­ zuckende Leichen. Medien derVerlebendigung vor und nach Guillaume Benjamin Duchenne, in: Kaleidoskopien. Jahrbuch des Instituts fürTheaterwissenschaften der Universität Leipzig, 3. Jg.: Körperinformationen, Institut für Buchkunst Leipzig 2000,65­99 (75)208Ulrich Raulff, Tanz des Pinsels auf der Schneide des Skalpells, über die Ausstellung Spectacular Bodies ander Londoner Hayward Gallery, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 296 v. 20. Dezember 2000, 51

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