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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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Genozids vor allem aus der Perspektive des Archivsgeschrieben: <strong>das</strong> Archiv blickt zurück. So wird die Logistikder Vernichtung als Routine transparent. Dies zu dekodieren,wählte Hilberg eine „Methode, die der Struktur seinesGegenstandes angemessen ist“ und stilbildend für Holocaust-Forschung geworden ist. Ist der Kalte <strong>Blick</strong> im <strong>Sinn</strong>e TheodorW. Adornos Mimesis an den Gegenstand?Hilberg beschreibt buchstäblich <strong>das</strong> Programm des Genozids alsVerwaltungsakt: „Die Idee einer Problemlösung zieht sich wieein roter Faden durch die Akten der Bürokratie. Die Judenbehandelt man schon grundsätzlich als ein `Problem´, und diegegen sie ergriffenen Maßnahmen waren dementsprechend`Lösungen´.“ 57 Ein Algorithmus? Wir grenzen an die Ästhetik derProgrammierung.Ein direkter Weg führt vom Pathos der Sachlichkeit (so einBuchtitel von Karin Hirdina, 1981) - wie von Helmut Lethen undKarl-Heinz Bohrer anhand der Literatur von Figuren wie ErnstJünger beschrieben - zum kalten <strong>Blick</strong> der menschenverachtendenAdministration im selbsternannten Dritten Reich einerseits,aber eben auch zum techno-affizierten <strong>Blick</strong> der Medienandererseits.Dem Oxymoron des Hirdina-Titels (eine Art Poetologie deskalten <strong>Blick</strong>s) folgend aber ist der kalte <strong>Blick</strong> erst kalt inOpposition einer demonstrativen, also aufgeheizten Abgrenzung.„Kalt“ ist also kalt nur zum Schein; tatsächlich wird damiteine Funktion strategischer Differenz zur Ästhetik derImagination, zur Poesie, bezeichnet.Krieg der <strong>Blick</strong>e, <strong>das</strong> Sublime der BilderHarun Farocki zeigt in seinem Essayfilm Bilder der Welt undInschrift des Krieges die nicht mehr schlicht kulturelle,sondern technische Verstrickung von <strong>Blick</strong> und Krieg. Und diesschon in der Kadrierung, der Anordnung von Bildern zueinander.Kritik am Repräsentationsmodell der Bilder resultiert imZweifel an der Wahrheit von Bildern, auch wenn siephotographische "Emanationen des Referenten" sind (so RolandBarthes in Die helle Kammer). <strong>Der</strong> Mechanik der Bilder muß eineTheorie-Mechanik entsprechen.Wie lesbar sind heute noch technische Bilder? Seit der Epocheder Kinematographie täuschen Bilder uns über ihre eigeneTechnizität hinweg, anders als mittelalterliche Fresken oderTeppich von Bayeux. Die Antwort darauf ist ein weiterer57Raul Hilberg, Die Quellen des Holocaust. Entschlüsseln und Interpretieren, Frankfurt/M. (Fischer) 2002.Zitiert hier nach der Rezension von Klaus-Dietmar Henke, Herrenmenschenwüten, in: FAZ Nr. 233 v. 8. Oktober2002, L 46

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