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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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der Moral gebotene Distanz aufrecht“- also Mediation, denn <strong>das</strong>Wesen der Medien sind ihre Kanäle, die Informationsübertragungüber eine räumliche oder zeitliche Entfernung hinweg.Laënnec erfindet in Paris 1816 eine Vorform des Stethoskops:die akustische Leitung; sie „verdoppelt den ärztlichen <strong>Blick</strong>“(Foucault). „Das Verbot der körperlichen Berührung ermöglichtein virtuelles Bild von dem, was sich tief unter derKörperoberfläche abspielt“ . Das gilt fürMedizin wie für Psychoanalyse, für Körper- wie fürSeelenkunde: der Abstieg ins „optisch Unbewußte“, wie WalterBenjamin es nennt, durch bildgebende Medien:Medienarchäologie, buchstäblich. Erst Löwenhoek schreibt 1675von den Arcanae naturae detectae.„Sehen ist strukturell etwas - Sehen, direkt und ohneVermittlung“ , mithin transitiv. DasParadox der Ent-Fernung: Plessner schreibt von Fernnähe. Während der <strong>Blick</strong> im Museum <strong>das</strong> gebotene noli metangere („Nicht berühren“) konterkariert, wird er in derChirurgie selbst operativ, invasiv. „Den Gegenpol bildet <strong>das</strong>Tasten. Inbegriff der Nähe und Distanzlosigkeit“ . Jedersolche <strong>Blick</strong> aber verletzt. 1868 führt die starre Endoskopie(Kussmauls „Tubus für Schwertschlucker“) noch zu Verletzungenbei der Untersuchung am lebenden Objekt; am Ende steht dieKamera, die Glasfaserendoskopie (Hirschowitz 1956), <strong>das</strong>Fiberscope, die elektronisch supplementierte Tele-Medizin.Nun war schon Galileis Teleskop ein Kulturchoque, indem eseine Mondoberfläche sichtbar machte, deren Krater menschlicheAugen nie hatten sehen können. Ist deren Existenz also an dieSehtechnik des Teleskops gekoppelt? Im Streit darum, ob dieMondlandung von Apollo 11 eine Inszenierung der Truman-Showwar oder tatsächlich erfolgt ist, sollen nun hochauflösendeTeleskope Aufschluß geben, mit deren Hilfe man die Spuren derMondfähren und den amerikanischen Sternenbanner erkennenkönnte. Erneut wird die theoretische Einsicht des Mondes aufGedeih und Verderb optischen Medien ausgeliefert, ihrerPräzision oder Verzerrung. Nie Gesehenes wird so sichtbar: alsFiktion. Was hier makroskopisch vonstatten geht, praktiziertdie Urkundenwissenschaft mit mikroskopischerPalimpsestphotographie.Technische Medien selbst sind virtuelle Archäologen, wenn siein Medizin, kulturwissenschaftlicher Forschung und Militär alsimaging science Datenmengen als Bilder zu sehen geben, die nurals Einbildung des Rechners (im <strong>Sinn</strong>e der Definition VilémFlussers 27 ) existieren. <strong>Der</strong> Rechner ist also zur Entzifferungvon Bildern in der Lage, die Menschen nie sehen, gerade weil27Vilém Flusser, Ins Universum der technischen Bilder, xxx; "wiedergelesen" von W. E. in: Bildwelten desWissens Bd. xxx, xxx

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