aristotelsichen Mediendefinition hier erst mittelbar inErscheinung tritt, durch die Reflexion am Gegenstand sichtbarwird, sucht Moholy-Nagy nach unmittelbarem Agieren im Medium,also Lichtmodulation. 176Als der Dadaist Raoul Hausmann sein Optophon entwickelt,greift er auf <strong>das</strong> Photographophon des Berliner Physikers ErnstRuhmer zurück, der 1901 an der Technischen Hochschule einVerfahren zur Speicherung von Sprachsignalen in Lichtspuren(und umgekehrt) entwickelte. Das Optophon ließ die induziertenLichterscheinungen mittels einer Selenzelle durch eine in dieLeitung zugeschaltete Hörmuschel in Töne umwandeln (undumgekehrt); so verfügte die Apparatur "über die Fähigkeit,jeder optischen Erscheinung ihre Schall-Äquivalente zu zeigen, da <strong>das</strong> Licht schwingende Elektrizität und auch derSchall schwingende Elektrizität ist", schreibt Hausmann 1922. 177In dieser Tradition zielt auch die anikonologische Fluxus-Kunst der 1960er Jahr (Nam June Paiks und Wolf VostellsFernseh- und Video-Dekollagen) "auf eine Ent-Semantisierungdes Bildes. Form und Inhalt werden somit gleichrangingeKomponenten einer Information" und somit<strong>das</strong> Medium zur Botschaft just in der Epoche, in der MarshallMcLuhan dies programmatisch in Understanding Media (1964) als"the medium is the message" verkündet. Hanspeter Ammann zeigtin seinem Video Rush (1982, heute Kunsthaus Zürich) einverrauschtes Monitorbild, dessen Punktverteilung sich fürMomente in figurative Motive verwandeln, um sich diesemVerlangen des Zuschauers nach figuraler Identifikation jedochsogleich wieder durch Abstraktion zu entziehen - optische Sirenengesänge.McLuhan weist selbst in einem Nebensatz auf die Inspirationseines Diktums aus jenem künstlerischen Verfahren hin, welchesdie perspektivische, ihrerseits ja schon kunst-kulturtechnischkonstruierte dreidimensionale Illusion ihrerseits wiederdekonstruierte und damit deren mediale Konstruktion selbstoffenlegt: "Mit diesem Griff nach dem unmittelbaren, totalenErfasssen verkündete der Kubismus plötzlich, daß <strong>das</strong> Mediumdie Botschaft ist" . McLuhansMedientheorie trägt soit auch einen historisch-ästhetischenIndex - seine Vertrautheit mit dem Kunstkritiker ClementGreenberg und der Schrift Art and Illusion von Ernst Gombrich,worin geschrieben steht: "Cubism is the most radicalattempt to stamp out ambiguity and to enforce one reading ofthe picture - that of a man-made construction, a coloredcanvas" . So verkündet der Kubismus <strong>das</strong>176Dazu Kai-Uwe Hemken, Die Ordnung der elektrischen Impulse. Kunsthistorische Betrachtungen zum Video-Licht, in: Archiv für Mediengeschichte, Weimar 2002, 187-199 (191)177Zitiert nach: Karin von Maur 1985, Vom Klang der Bilder. Die Musik in der Kunst des 20. Jahrhunderts,München 1985, 140
künstlerische Medium - analog zu Michel Foucaults Deutung derMalerei Manets.Foucault folgt Clement Greenberg, demzufolge gemalte "Bildermöglichst flach aussehen müssen, um die verborgene Wahrheitihres Trägers zu offenbaren" 178 . Über den französischen Kubismusschreibt Greenberg in direkter Folge des zentralen Argumentsder Mediensemiotik der Künste Gotthold Ephraim Lessings(Laokoon 1766):Es wurde bald deutlich, <strong>das</strong>s der eigene und eigentliche Gegenstandsbereich jeder einzelnen Kunst genau <strong>das</strong> ist,was ausschließlich in dem Wesen ihres jeweiligen Mediums angelegt ist. Die einschränkendenBedingungen, die <strong>das</strong> Medium definieren die plane Oberfläche, die Form des Bildträgers, die Eigenschaftder Pigmente , wurden von den alten Meistern als negative Faktoren behandelt, die allenfalls indirekteingestanden werden durften. <strong>Der</strong> Modernismus brachte dieselben Einschränkungen als positive Faktoren, dienun offen anerkannt wurden 179- die Infrastruktur selbst wird denkmalfähig, um in MarcelDuchamps Readymade eines Flaschentrockners wird dies zummusealen Objekt.McLuhans Satz zielt darauf, daß Medien auf der kognitivenEbene inhaltistisch, auf der subliminalen Ebene aber genuinmedienphysiologisch operieren: "Denn die `Botschaft´ jedesMediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs,Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt".Mit Malewitschs Schwarzem Quadrat ("eine plötzlicheOffenbarung des verborgenen Bildträgers" 180 , die alle narrativeSuggestion unterläuft und vielmehr mit der zeitgleichenAnschauungskrise in der Mathematik kommuniziert)korrespondiert McLuhans Hinweis auf <strong>das</strong> elektrische Licht, <strong>das</strong>pure Information ist, sofern es nicht dazu verwendet wird,"einen Werbetext Buchstabe um Buchstabe auszustrahlen" .<strong>Der</strong> blinde Fleck aller Wahrnehmung wird hier technischkonkret: "Es ist nur zu bezeichnend, wie der Inhalt jedesMediums der Wesensart des Mediums gegenüber blind macht"; die von Paul de Man für die Mechanismen der Literaturder Romantik analysierte Dialektik von Blindness and Insightist hier unmetaphorisch faßbar - oder metaphorisch im striktnachrichtentheoretischen <strong>Sinn</strong>.Günther Ücker zufolge lesen sich die Schriften von Malewitsch"wie ein mönchisches Medium, <strong>das</strong> eine Botschaft empfängt" -der medienasketische <strong>Blick</strong>.178So paraphrasiert von Rico Hartmann, Humboldt-Universität zu Berlin, Medienwissenschaft179Clement Greenberg, Modernistische Malerei, in: ders., Die Essenz der Moderne. Ausgewählte Essays undKritiken, hg. v. Karlheinz Lüdeking, Dresden (Verlag der Kunst) 1997, 265f180Boris Groys, Unter Verdacht. Eine Phänomenologie der Medien, Carl Hanser Verlag 2000, 104
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