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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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Essens der elektronischen Bildabtastung und digitalerVerpixelung. Diese Geometrisierung des <strong>Blick</strong>s wurzelt inAlbertis Perspektiv-Lehre und instituieren <strong>das</strong> cartesischeSubjekt - buchstäblich ansiedelbar in einem kartesischenKoordinatensystem. Doch gerade hier ist die Sichtbarkeitgelöscht durch Mathematik (der kalte <strong>Blick</strong> der Theorie):Bei der geometralen Perspektive geht es ausschließlich um die Auszeichnung eines Raums und nicht um <strong>das</strong>Schauen. So ist ein Blinder durchaus in der Lage zu begreifen, daß ein Raumausschnitt, den er kennt und den erals real kennt, auf Distanz und gleichsam simultan wahrzunehmen ist- schreibt Lacan unter Bezug auf Diderots Briefüber die Blinden zum Gebrauch der Sehenden. Zwischen Tastenund Sehen formuliert sich <strong>das</strong> Molineux-Paradox.„Im Medium dieser Bahnung optischer Signale schreibt der <strong>Blick</strong>sich einer anderen Ordnung des Raumes ein als sie für dieOrdnung des Buchstabens gilt.“ 151 In Pixel-Bildern schließlichtritt der mathematische <strong>Blick</strong> vollends an die Stelle desikonischen; extrem verlangsamt projiziert, löst sich eindigitalisierter Film in bewegte Quadrate auf (Angela Bulloch).Sehen und Gesehenwerden heißt nicht schlicht Panoptizismus undÜberwachungsraum. Lange vor Lacan hat Rainer Maria Rilkeangesichts eines archaischen Torso des Apoll im Louvre vonParis sich davon betroffen gesehen, daß <strong>das</strong> Objekt, wenngleichselbst kopflos, auch den Betrachter anschaut: „sein Torsoglüht noch wie ein Kandelaber denn da ist keine Stelle,die dich nicht sieht.“ 152 Prompt stammt der Torso aus einemantiken Theater (<strong>das</strong> kleinasiatische Milet).Michael Franz verweist in dem Zusammenhang auf Hegel: „DieKunst macht jedes ihrer Gebilde zu einem tausendäugigen Argus,damit die innere Seele und Geistigkeit an allen Punktengesehen werden.“ 153 Gegen die „kalte“ Beschreibung einerBildsäule aus Marmor (die tatäschlich kalt ist) steht <strong>das</strong>Phantasma des Pygmalion; darauf verweist der Untertitel vonHerders Schrift Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form undGestalt aus Pygmalions Bildendem Traume. 154 Eine Filmkamera, diezugleich Projektionsapparat war, heißt um 1900 Pygmalion. 155151Michael Wetzel, Die Enden des Buches oder die Wiederkehr der Schrift. Von den literarische zu dentechnischen Medien, Weinheim (VCH / Acta Humaniora) 1991, 56152Rainer Maria Rilke, Archaischer Torso Apolls, in: <strong>Der</strong> Neuen Gedichte anderer Teil (1908), in: ders., NeueGedichte, Frankfurt/M. 1990, 503153G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik I, in: ders., Werke in 20 Bänden, Bd. 13, Frankfurt/M. 1970,203; Hervorhebungen von Franz 1999: 76154Siehe Dorothee von Münche, Veil of Illusion, xxx155Hinweis Peter Geimer. Siehe Eugen Trutat, La photographie animée (1897)

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