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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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Besorgnis schreibt sich dieser <strong>Blick</strong> in McLuhans und ViriliosMedienkatholizismus fort.Nun sucht Medientheorie Phänomene des „kalten <strong>Blick</strong>s“ nichtallgemein und anthropologisch, sondern in ihrer Medialität,also Vermitteltheit zu beleuchten. <strong>Der</strong> „kalte <strong>Blick</strong>“ wird also„als ‚metamediale' Form verstanden, die ihre Spezifika durchdie Materialität des jeweiligen Mediums erhält, in dem sierealisiert wird. Als Kommunikations- und Vermittlungsstrategieist sie Teil der Mediengeschichte.“ 169 Text- und Bildschauräume(Imagination, Display) üben Routinen des kalten <strong>Blick</strong>s ein:„ein Umschlagen des <strong>Blick</strong>s, initiiert durch Teilhabe amerzeugten Schauraum“ . Doch jeder Rück-Importwissenschaftlicher Begrifflichkeit ist zweischneidig. Was wieMedienanthropologie aussieht, als Untersuchung der Kopplungvon Mensch und medialem (oder besser: kulturtechnischem)Dispositiv, ist auch umgekehrt lesbar: als Ent-Menschlichung,als Mechanisierung der menschlichen Wahrnehmung a priori, wieschon Maurice Blanchot den homerischen Gesang der Sirenendeutete: Gerade dessen Menschenähnlichkeit erinnert den Hörerunheimlich daran, daß sein eigener Gesang vielleicht eineschlichte mechanische Funktion ist. An dieser Stellereflektiert Homers Odyssee seine eigenen Techniken, denStimmapparat des Sängers und <strong>das</strong> neue Speichermedium seinerGesänge, <strong>das</strong> Vokalalphabet.Unter hochtechnischen Bedingungen aber sind dermedienarchäologische <strong>Blick</strong> und tradierte Wahrnehmungsweisennicht mehr ineinander übersetzbar. Hier liegt die genuinmediale Differenz zu anthropozentrischen Kulturtechniken:Hochfrequenzen sind gerade darum <strong>das</strong> einheimische Reich technischer Medien, weil ihnen überhapt keineWahrnehmung mehr beikommt, weder die analytische im subsonischenbereich noch auch die notgedrungensynthetische im Frequenzband Musik. Sämtliche Übertragungen und Speicherungen, Berechnungen undManipulationen, wie sie Menschensinne täuschen sollen, finden deshalb, unsichtbar und unhörbar , hintermRücken von Auge und Ohr statt 170- jenseits aller Ästhesiologie. <strong>Der</strong> kalten <strong>Blick</strong> wird soselbst zu einer vertrauten Metapher, welche diekulturtechnische Eskalation der Auslagerung von Wahrnehmung anPräzisionsmedine verharmlost.Die mittelalterliche Multisensualität koppelte Bilder undSchriften unmittelbar an menschliche <strong>Sinn</strong>e, Augen und Ohren,Tasten und Finger. Schreiben auf Haut (Pergament).Demgegenüber war es die Abstraktionsleistung der Renaissance,perspektivische Bilder aus Geometrien und Zahlen zu errechnen- was den Betrachter vom <strong>Blick</strong>punkt her ins Außen des Bildes169Aus dem Exposé zur Tagung: Kunst der Bewegung. Kinästhetische Wahrnehmung und Probehandeln invirtuellen Welten. Arbeitstagung des Projekts A1 „Repräsentation und Kinästhetik“ im Sfb 447 Kulturen desPerformativen, 14. bis 16. November 2002, Humboldt­Universität Berlin170Friedrich Kittler, „Vernehmen, was Du wähnst“. Über neuzeitliche Musik als akustische Täuschung, in:Kaleidoskopien Heft 2 (1997), 8-16 (15)

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