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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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Informationseinheit (bit). Im typographischen Zeichen derSchreibmaschine findet dies zum Bild. Nietzsches Abwendung vonFragen der Rhetorik und seine Hinwendung zu Fragen des Körpersund des Rauschens ist damit als Reaktion auf dieWiderständigkeit des neuen Schreibgeräts lesbar; so wirdNietzsche sein handschriftliches „Krikelkrakel“ los und erlebt die Mechanisierung als Befreiung von dereigenen Subjektivität. <strong>Der</strong> kalte <strong>Blick</strong> steht metonymisch füreine Ästhesiologie der Mensch-Medien-Kopplung überhaupt.In einem Brief an Felice Bauer macht Franz Kafka diedramatische Differenz deutlich, die zwischen medialenFunktionen von Menschen und ihrer festen Kopplung an medialeDispositive herrscht. Nicht nur war Kafka selbst Angestellterim schreibmaschinisierten Großraumbüro einerVersicherungsanstalt in Prag; seine Verlobte arbeitet in einerFirma, welche Sprechmaschinen, sogenannte Parlographen,herstellte. Kafka, empfand, daß Menschen durch dieVerschaltung mit Maschinen selbst zu Schreibwerkzeuge und-materialisen werden. Nicht sie bedienen sich mehr derInstrumente des Schreibens, sondern werden von ihnenformatiert. „Sie sind nicht mehr sprechende Wesen, die dazubestimmt sind <strong>das</strong> Gesagte zu verstehen, sondern Medien, derenAufgabe es ist, die Botschaft anderer möglichst störungsfreizu übertragen und zu speichern“ 124 - bis hin zur Egge in KafkasErzählung In der Strafkolonie.Sprichwörtlich: „Unser Schreibzeug arbeitet mit an unserenGedanken" 125 , undSCHREIBKUGEL IST EIN DING GLEICH MIR ­ VON EISENUND DOCH LEICHT ZU VERDREHN ZUMAL AUF REISEN:GEDULD UND TAKT MUSS REICHLICH MAN BESITZENUND FEINE FINGERCHEN, UNS ZU BENUETZEN. 126Doch dann der Einspruch der Materialität am Medium: "DasWetter ist nämlich trüb und wolkig, also feucht: da istjedesmal der Farbenstreifen auch feucht und klebrig, so daßjeder Buchstabe hängen bleibt, und die Schrift gar nicht zusehn ist." 127 <strong>Der</strong> <strong>Blick</strong> (auf die Schrift), also <strong>das</strong> notwendigeFeedback, <strong>das</strong> Monitoring, erkaltet. Schon dieserkommentierende Satz selbst ist aus der technisch notwendigenBeobachterdifferenz, mit der Stahlfeder, an seine SchwesterElisabeth Förster-Nietzsche geschrieben.124Asja Jarzina, In der Strafkolonie. Eine Schreibmaschinenmusik?, in: Programmheft der Aufführung derBerliner Kammeroper von In the Penal Colony, Musik Philip Glass, Hebbel-Theater Berlin, November 2002, 13-15 (14)125Friedrich Nietzsche an Heinrich Köselitz, Ende Februar 1882, in: Kritische Gesamtausgabe (Berlin / NewYork 1975ff), hg. v. G. Colli / M. Montinari, Briefwechsel, Bd. III 1, 172126Friedrich Nietzsche, aus seinem Konvolut mit Typoskripten, Goethe­Schiller­Archiv, Mappe Mp XVIII 3, 19127Friedrich Nietzsche, 21. März 1882, in: Kritische Gesamtausgabe (Berlin / New York 1975ff), hg. v. G. Colli /M. Montinari, Briefwechsel, Bd. III 1, 188

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