12.07.2015 Aufrufe

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wagners Konstruktion für <strong>das</strong> Festspielhaus in Bayreuth, dieausdrücklich an <strong>das</strong> griechische theorein anknüpft.Richard Wagners plante sein Festspielhauses in Bayreuth 1876bewußt als theatron, also als „place for seeing“ 65 ; die Tönekamen aus dem Verborgenen des Orchestergrabens, um denoptischen Kanal zwischen Betrachter und Szene nicht zuirritieren. 66 Schivelbusch vergleicht Bayreuth mit DaguerresDiorama von 1820 . Indem Wagner <strong>das</strong> Orchesterim Graben versenkt, eröffnet er einen akusmatischen Raum. DenBegriff hat xxx Chion für die Bezeichnung der off-Sounds undStimmen im Kino aufgegriffen; tatsächlich ist es <strong>das</strong>Betriebsgeheimnis aller technischen Medien, gerade den Betriebim Geheimen, im Verborgenen zu halten, damit der reine Effekt,die referentielle Illusion von Bildern und Tönen dieAufmerksamkeit fesselt - dissimulatio artis in derrhetorischen Technik. Tatsächlich aber leitet sich der Begriffder Akusmatik von Pythagoras ab, der sich jahrelang in eineunterirdische Wohnstatt zurückzog und mit der Umwelt nur perStimme kommunizierte, d. h. seine legendären Akusmata hörenund tradieren ließ.Auch die religiöse Schau ist also kein medienfreier Raum. ImGegenteil: Die laterna magica, die Zauberlaterne als ersterBildprojektor, wurde bewußt in der Gegenreformationeingesetzt, als jesuitische Verführungstechnik der Betrachter. Wo Visionen als halluzinogeneSelbsthervorbringungen des Imagination (wie etwa die desIgnatius von Loyola) sich nicht endogen einstellten, wurdeihnen apparativ nachgeholfen - im Gegenzug zurprotestantischen Askese der sola scriptura. 67Im Kampf mit der Imagination: asketische ÜbungenFallen Visionen unter <strong>das</strong> Regime des Sichtbaren, desOptischen, oder vielmehr - im <strong>Sinn</strong>e der Neurologie und desRadikalen Konstruktivismus - unter <strong>das</strong> Regime des Generativen?Hier kommen die religiösen Erscheinungen ins Spiel, lange vorChristus. Das Drama Die Bakchen des Euripides: „Eidos undsogar idea, morphé, phaneros, phainó, emphanés, horaó, eidómit ihren Zusammensetzungen: kein anderer Tex tenthält mitvergleichbarer und obsessiver Intensität einen solchenÜberfluß des Vokabulars des Sehens und des Sichtbaren.“ Diemenschliche Seh-Erfahrung wird in der optischen Konfrontationmit Dionysos verunsichert, „weil sich dieselben begriffe65Jonathan Crary, Suspension of perception. Attention, spectacle, and modern culture, MIT 1999, 25166Richard Wagner, Gesammelte Schriften und Briefe, hg. v. Julius Kapp, Bd. 12, Leipzig (Hesse & Becker) 1914,291; dazu Crary 1999: 25167Siehe David Brewster, Briefe über die natürliche Magie, Berlin 1833 (Nachdruck Weinheim 1984). Dort,passim, immer wieder Nachrichten über antike Mechanismen, Automaten, mediale Täuschungen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!