12.07.2015 Aufrufe

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Medienkultur bildet nicht länger nur ab, sie bildet ein„zweites Bewußtsein“ aus - analog zum Begriff der imagingsciences. „Wir aber stehen mitte im Experiment. Wir treibenDinge, die durch keine Erfahrung begründet sind“, schreibtErnst Jünger in Das abenteuerliche Herz, ca. 1930, und FrankSchirrmacher ergänzt: „als würden wir in den Maschinenraumblicken“ 5 . Im Anschluß, zugleich aber in Überbietung vonDiskursanalysen, deren blinder Fleck die Einsicht intechnische Medien darstellt, betont Medienarchäologie geradenicht <strong>das</strong> anthropologische tröstliche Beziehungsgefügezwischen einer technologischen Basis und ihrem wahrnehmungsundkulturgeschichtlichen Überbau, sondern derenDiskontinuitäten.Damit korrespondiert auch eine methodische Option, denn der„kalte <strong>Blick</strong>“ betrifft auch unser Verhältnis zum Modell derKulturgeschichte. <strong>Der</strong> kalte <strong>Blick</strong> schaut auf Historie aus derPerspektive des Archivs; er sieht also nicht die illusionäre,phantasmagorische Fülle vergangenen Lebens, sondern dieGegenwart dessen, was von ihr als Grundlage unseres Wissensübriggeblieben ist: die Spärlichkeit des Materials, dieLücken, diskrete Zustände, die mit dem korrespondieren, was inden digitalen Medien längst wirkungsmächtig geworden ist.Diskrete Medien vermögen also <strong>das</strong> auszudrücken, was wir nicht- oder nur stammelnd - aussprechen können, im Medium derSprache: diskrete Rarität der Daten als Aussage der Historie.Und was die Kamera in diskreten Serien von frames aufzeichnet,ist nicht auf Sichtbarkeit, sondern Speicher- undÜbertragbarkeit ausgerichtet.Das moderne Projekt der (philosophischen) Aufklärung war immerschon an die Metapher des <strong>Blick</strong>s gekoppelt - aber eben nur alsphilosophisch-archäologische Metapher; erst militärtechnischwurde Aufklärung real. Dem abendländischen Diskurs, der seitAlt-Griechenland die Evidenz des Wahren an <strong>das</strong> Organ desAuges, der Augenzeugenschaft gekoppelt hat und in der <strong>Blick</strong>-Metaphorik des Frontizpizes der Encyclopédie d´Alemberts undDiderots gipfelte, stand bald ein Zweifel an derUnmittelbarkeit optischer Eindrücke gegenüber (David Hume,John Locke); dies führt zu einer Abkehr von der Aufklärung undVerlagerung vom optischen zum kognitiven Pardigma (DeutscherIdealismus). Auf diese Krise antwortet die Photographie mitdem diskursiven Effekt der unverfälschten Einschreibungoptischer Eindrücke, und <strong>das</strong> Genre des Dokumentarfilms 6 - dermedienarchäologische <strong>Blick</strong> als apparative Funktion / Fiktion.„<strong>Der</strong> bergsonschen Genealogie des `Sehvermögens´ entsprechend,kommt man zur Hypothese, <strong>das</strong>s die Bildtechnologien nicht <strong>das</strong>5Frank Schirrmacher, Die große Angst. Im Maschinenraum der Kultur, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 5v. 7. Januar 2003, 316Siehe <strong>das</strong> Kapitel über Video und Widerstand in Critical Art Ensemble, The Electronic Disturbance, New York1994; im Internet unter http://www.critical­art.net; dt. vonRobin Cackett und Carsten Does unterwww.hybridvideotracks.org

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!