nichts als den Informationswert (den Max Bense dann wiederumselbst zum statistischen Kalkül von Ästhetik machte, ein reentry).Hier kehrt also die binäre Vertextung der Bilderzurück - textil im <strong>Sinn</strong>e der lochkartengesteuertenBildtexturen Jaquards.Jedes Dokument im Archiv bekommt seine Bedeutung erst durch die Nachbarschaft mit anderen Dokumentenund durch <strong>das</strong> Archiv selbst. Auch Bilder werden der Ordnung des Archives untergeordnet und enthalten eineZuschreibung von Ort, Zeit und <strong>Sinn</strong>. Ein fotografisches Archiv ist allerdings streng genommen immer ehereine Indiziensammlung denn ein Archiv, eher eine Anhäufung und ein Puzzle als ein sich selbst fortschreibendesund ausführendes Programm 215- die Konsequenz der Photographie für ein Neues Sehen im 19.Jahrhundert. 216Suchbilder, Abschiede„Digitale Bildverarbeitung fällt , gerade weil sie imGegensatz zu hergebrachten Künsten gar keine Abbildung seinwill, mit dem Reellen zusammen.“ 217 Dies zu wissen fordert zumEine die Abgewöhnung vom semantischen, ikonologischen <strong>Blick</strong>.Unter der Bedingung visueller Adressierbarkeit könnte zumAnderen <strong>das</strong> Wissen eines Bildarchivs wirklich gewußt werden.Doch dem stehen noch immer Hindernisse im Weg. Begriffe wiecontent oder similarity bergen Reste von Schriftsinn, selbstdort, wo nicht mehr geschrieben wird. Content, der semantischeGehalt eines Bildes, tut so als sei der Inhalt eines Bildesetwas anderes als <strong>das</strong> Bild selbst. Damit fällt sogenannterInhalt in <strong>das</strong> Modell der Semiotik zurück, <strong>das</strong> zwischen einerAnwesenheit (dem Zeichen) und dem notwendig Abwesenden (seinerReferenz) differenziert. Similarity, also Ähnlichkeit zwischenBildern, vermeidet diesen Fehler, um an einer andere Stelle indie Falle zu gehen. Ähnlichkeit tendiert dazu, etwas zusetzen, worin sich Bilder ähnlich sind. Sobald versucht wird,dieses Etwas der Ähnlichkeit der menschlichen Wahrnehmunganzupassen - und <strong>das</strong> ist die Regel -, produziert auch einKonzept der Ähnlichkeit eine „bedeutsame“ Aussage, <strong>das</strong> heißtein Verhältnis, in dem <strong>das</strong> Bild etwas bedeutet und darübererreichbar wird. Üblicherweise wird Ähnlichkeit über einenKriterienkatalog, oft nach statistischen oderneurophysiologischen Untersuchungen, definiert. Dadurch werdenBezüge zwischen Bildern immer wieder von vorneherein auf einenbestimmten, nämlich einen "sinnvollen" Anschluß festgelegt.Dagegen stellt sich die Frage, ob eine Ordnungsrelationinnerhalb der Bildmenge nicht desto eher erfolgreich sein215Anselm Franke, xxx, in: Ernst et al. 2001: xxx216Dazu Bernd Stiegler, Philologie des Auges. Die photographische Entdeckung der Welt im 19. Jahrhundert,München (Fink) 2001217Friedrich Kittler, Optische Medien. Berliner Vorlesung 1999, Berlin (Merve) 2002
wird, je mehr sie auf einen bestimmten Anschluß und einenbestimmten <strong>Sinn</strong> verzichtet. 218Gegenüber beiden Strategien sollte ein Zugriff auf Bilderdiskutiert werden, der von jeglicher <strong>Sinn</strong>bildung, sei es durchÄhnlichkeit oder Inhalt absieht und „<strong>Sinn</strong>" nicht als Bedeutung(siehe Frege), sondern im <strong>Sinn</strong>e der etymologischen Ableitungdurch die Gebrüder Grimm als Deuten auf etwas, als vektorielleBestimmung, mithin also signaltechnisch als Zeiger auf Daten(Pointer) liest. Das bedingt ein Sich-Einlassen auf den genuin„archäologischen", d. h. kalten, von Einbildungskräften freien<strong>Blick</strong> des Computers, der Signifikanten rein signifikant, also(im <strong>Sinn</strong>e der Hermeneutik) deutungsfrei liest (scanning).Dziga Vertov unterstreicht die nicht-menschliche Option desKinoauges für ein genuin visuelles Denken, demnach dieGedanken von der Leinwand direkt in <strong>das</strong> Gehirn der Zuschauerfallen: „Die Gedanken müssen unmittelbar aus der Leinwandhervorquellen, ohne Vermittlung über Worte - ein lebendigerKontakt mit der Leinwand, eine Übertragung von Gehirn zuGehirn“ .Jörg Becker, Autor und Filmhistoriker, hat einen visuellenTopos, <strong>das</strong> Motiv der Abschiede, aus der Medialität derKinematographie selbst entwickelt. 219 Filmische Abschiede findenklassischerweise vor abfahrenden Zügen statt; hier findet eineTechnologie des Films sich selbst: Kamerfahrten auf Schienen.Die Kopplung von Menschen und abfahrendem Objekt (Zug) bildenein dankbares Objekt für informatisierte Bildmotivsuche. Schonder Einsatz von Qualm, von Rauch ist hier eine optische Optionfür Algorithmen, die nach statistisch gleichverteiltenPartikeln suchen.Doch dieses Spiel zwischen subjektiver Zeit(Erinnerungsbilder) und objektiver Zeit (Gegenwart) bedarfimmer noch des zusätzlichen Einsatzes von Musik, weil Bilderan entsprechenden Stellen nicht hinreichen, die bewegteEmotionen zu signalisieren (Grenzen von movies). Ein digitalerAnknüpfungspunkt wäre hier gerade Bildsuche anhand von Tönen.Die erinnerte Abfolge analoger Bildmotive steht im krassenGegensatz zu dem, was der Computer erinnert. Grenzen undChancen zwischen digitaler und menschlicher Bildwahrnehmung:Menschen können dramatische Motive viel schneller erinnern undzusammenbringen; andererseits vermag der Computer unerwarteteAllianzen zwischen Bildfolgen zu erzeugen.218Siehe W. E. (gemeinsam mit Stefan Heidenreich), Image retrieval und visuelles Wissen, in: KonferenzbandEVA ´97 Berlin (Electronic Imaging & the Visual Arts), Elektronische Bildverarbeitung & Kunst, Kultur,Historie, 12.-14. November 1997, veranstaltet von der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e.V.(Berlin) und Vasari Enterprises (Aldershot) 1997, abstract219Vgl. den Beitrag von Jörg Becker in: W. E. / Stefan Heidenreich / Ute Holl (Hg.), Suchbilder. Bildarchive derGegenwart, Berlin (Kadmos Kulturverlag) 2003
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