unmißverständlich: Cybernetics or control and communication inthe animal and the machine (1948). Dies manifestiert sich inWieners Begriff der von Menschen erbauten lernenden Maschinennamens Automaten. Denn er sei umgekehrt „auch auf die lebendenMaschinen anwendbar, die wir Tiere nennen, so daß wir dieMöglichkeit haben, die biologische Kybernetik in einem neuenLicht zu sehen“ 43 . So sah es bereits La Mettrie in L´Homme-Machine und Vaucanson mit seiner mechanischen, verdauendenEnte.Tatsächlich aber ist diese Kühle auch von Franz Kafkavertraut, von seiner in der Prosa eines Tatsachenberichtsabgefaßten Erzählung In der Strafkolonie von 1914.Protagonistin ist darin eine Maschine, genauer: „DemVerurteilten wird <strong>das</strong> Gebot, <strong>das</strong> er übertreten hat, mit derEgge auf den Leib geschrieben.“ 44 Kafkas Erzählung läßt denausführenden Offizier den Apparat (schreibt Kafka mehrmals)erklären, gegenüber einem Beobachter, der metonymisch für denkalten <strong>Blick</strong> selbst steht: ein reisender Forscher, der sichnur für den Apparat interessiert. <strong>Der</strong> Offizier erklärt: „WieSie sehen, entspricht die Egge der Form des Menschen; hier istdie Egge für den Oberkörper, hier sind die Eggen für dieBeine“ - eine besondere Form von Cyborg, die den Menschenselbst als Rezeptor für Inschriften beschreibt.Die Erzählung beginnt mit den Worten: „Es ist ein eigentümlicher Apparat.“ man ist an Homer erinnert, der inden ersten Sätzen der Iliade und der Odyssee gleich sagt, wovon <strong>das</strong> Epos berichten wird. Daß dabei die Museund die Göttin angerufen werden, steht auf einem anderen Blatt. <strong>Der</strong> Offizier sieht nur den Apparat. 45Weiter der Offizier: „Für den Kopf ist nur dieser kleineStichel bestimmt“ - eine Erinnerung an den PragerGolem des Rabbi Löw, Programmierung als Inschrift.„Um es nun jedem zu ermöglichen, die Ausührung des Urteils zu überprüfen, wurde die Egge aus Glas gemacht.Es hat einige technische Schwierigkeiten verursacht, die Nadeln darin zu befestigen, es ist aber nach vielenVersuchen gelungen. Und nun kann jeder durch <strong>das</strong> Glas sehen, wie sich die Inschrift im Körper vollzieht“- monitoring, und im Unterschied zur Kinoleinwand keineProjektionsfläche mehr, sondern der transparente screen. AmEnde aber legt sich der Offizier selbst in die Maschine undwird von ihr getötet. <strong>Der</strong> Forscher sieht <strong>das</strong> Haupt der Leiche:„die Augen waren offen, hatten den Ausdruck des Lebens, der<strong>Blick</strong> war ruhig und überzeugt, durch die Stirn ging die Spitzedes großen eisernen Stachels“ .42Norbert Wiener, zitiert im Vorwort Alexander von Cubes zur N>euauflage von: ders., Kybernetik. Regelungund Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine, *1948 (MIT), Düsseldorf / Wien ( New York(Econ) 1992, 7; siehe Wiener ebd., 4943Norbert Wiener, Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine,*1948 (MIT), Düsseldorf / Wien ( New York (Econ) 1992, 20, unter Bezug auf: D. Stanley-Jones / K. Stanley-Jones, Kybernectics of Natural Systems. A Study in Patterns of Control, London (Pergamon Press) 196044Franz Kafka, In der Strafkolonie, in: ders., Sämtliche Erzählungen, hg. v. Paul Raabe, Frankfurt/M. 1977, 10345xxx, in: Distanz und Nähe. Reflexionen und Analysen zur Kunst der Gegenwart, hg v. Petra Jaeger / RudolfLütke, Würzburg (Königshausen & Neumann) 1983, 125
<strong>Der</strong> Schreibstichel, hier dem Skalpell des Anatomen ebenso nahewie dem Schreibgerät des Schriftstellers (stilus), steht fürdie Verschränkung von Distanz(ierung) und Nähe zugleich. DemVerurteilten wird <strong>das</strong> Urteil nicht verkündet, sondern ererfährt es in dem Moment, wo es ihm auf den Leib geschriebenwird: „Achte Deinen Vorgesetzten“. Augen und Ohren, Lesen undHören werden ausgeschaltet zugunsten einer Immedialität derGedächtnisschrift gleich Engrammen (Richard Semon / AbyWarburg); kein sensuelles Dazwischen. So wie Drakon in Athenseine Gesetze noch mit Blut schrieb: buchstäblich drakonischeStrafen. Dann Solon: verlegt Gesetz auf die Ebene des neuenMediums Alphabet. In Sparta Lykurg: gar keine schriftlicheNiederlegung.Michel Foucault beschrieb in Überwachen und Strafen inAnlehnung an Ernst Kantorowicz den „Körper des Verurteilten“.Zunächst operieren vom Mittelalter bis zur Neuzeit Folter undöffentliche Zurschaustellung derselben im Raum derGleichzeitigkeit; diese Epoche wird abgelöst durch dieUnsichtbarkeit der modernen Machtausübung, jenseits des kalten<strong>Blick</strong>s, des panoptischen Dispositivs, des Regimes derSichtbarkeit von Macht. Diese Verschiebung generiert eine neueBeobachtungsebene. Heinz von Foerster ersetzt im BiologicalComputer Laboratory der University of Illinois (seit 1958) dieKybernetik erster Ordnung, für die der Beobachter eine externeund kontrollierende Figur ist, durch den Beobachter zweiterOrdnung, der zum Teil des Systems und damit mitverantwortlichfür dessen Reproduktion wird. "Nichts entläßt uns aus derVerantwortung für die Einschränkungen, die wir setzen, um demRauschen der Welt einen <strong>Sinn</strong> abzugewinnen." 46Anästhetik der Aufklärung: Monitor(ing)Foucault schreibt im französischen Original von Naissance duClinique (Paris 1963) den Epochenbegriff dessen, was Franzosenansonsten als „âge des illuminés“ bezeichnen, ausdrücklich aufdeutsch: „Aufklärung“. Harun Farocki weist im Text zu seinemFilm Bilder der Welt und Inschrift des Krieges auf denDoppelsinn des Begriffs „Aufklärung“ in der deutschen Sprachehin. Mit dem kalten <strong>Blick</strong> der Aufklärung im Bund steht etwaLavaters Physiognomik: die Vermessung des menschlichenCharakters, bis hin zu Cesare Lombroso und Bertillonsphotographische Erfassung des Typus „Verbrecher“.Kritiker des Computerbildes bemängeln vor allem die fehlende<strong>Sinn</strong>lichkeit der Produkte, führen die kalte Atmosphäre (keinAtelier) und den glatten Bildschirm an, der einem den direkten46Dirk Baecker, Die Sonnendusche macht mich berühmt , in: FrankfurterAllgemeine Zeitung Nr. 230 v. 4. Oktober 2002, 32
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nichts als den Informationswert (de
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