jeder illustrierten Zeitung zu finden ist, istseelenlos, wie aus Metall gearbeitet , und es besitztohne Zweifel eine echte Beziehung zur Photographie“ . Gilt dies auch im Cyberspace? „Die Tatsache, daßwir heute breits wieder imstande sind, den Anblick des Todesmit größerer Kälte zu ertragen, erklärt sich dadurch,daß wir in unserem Körper nicht mehr in der alten Weise zuHause sind“ . Zunächst aber verhelfen optische Medien zurDistanz:Monokel wie Kamera zeigen die Tendenz, Menschen in Dinge zu verwandeln. Filmstars und Massenidolewerden durch die Fotografie in die Öffentlichkeit gebracht. Sie werden zu Träumen, die man mit Geld kaufenkann. Man kann sie kaufen, greifen oder an sich drücken wie öffentliche Dirnen. die Fotografie brachte JeanGenet auf <strong>das</strong> Thema der Welt als Bordell ohne Wände. 159Hatte der Holzstich noch eine Syntax, verschwindet dieses„Raster der Rationalität“ aus den späten Drucken,genauso wie sie die Tendenz zeigt, aus Telegrammtexten und aus der impressionistischen Malerei zuverschwinden. Schließlich schien im Pointillismus Seurats die Welt durch <strong>das</strong> Bild durch. Die Anwendung einessyntaktischen Standpunktes auf die Malerei von außen her hörte auf, als die literarische Form mit der Telegrafiezu Schlagzeilen zusammenschrumpfte. Mit der Fotografie hatten / die Menschen in gleicher Weise entdeckt, wieman Bildberichte ohne Syntax geben kann. Im Daguerrotypieverfahren gab es <strong>das</strong>selbe Tüpfeln oderGegenübersetzen von winzigen Pünktchen, wie es später im Pointillismus ein Echo fand und in jenemMaschennetz der Zeitungen noch wiederkehrt, <strong>das</strong> wir „Funkbild“ nennen. Ein Jahr nach Daguerres Entdeckungmachte F. B. Morse eine Fotografie von seiner Frau und seiner Tochter in New York. So trafen sich Punkte für<strong>das</strong> Auge mit Punkten für <strong>das</strong> Ohr auf dem Dach eines Wolkenkratzers. 160Lorraine Daston nennt es die „mechanische Objektivität“,welche auf die Ausschaltung aller Formen des menschlichenEingriffs in die Natur abzielt - keine anthropologische, d. h.ästhetisierende Verfälschung der Daten, dagegen medialeaisthesis, kulminierend im Photoapparat, auch wenn dessenDetailgenauigkeit (durch Alexander von Humboldt zunächstgefeiert) zuweilen noch zu wünschen übrigließ. Es gingvornehmlich um Authentizität: "Allein durch die Art und Weise,wie der Fotoapparat funktonierte, schuf er die Illusion einesnicht durch menschlichen Eingriff vermittelten Abbilds." 161William Henry Talbot hält 1839 vor der Royal Society seineAbhandlung Bericht über die Kunst des Lichtbildzeichnens oderdes Verfahrens, mit dessen Hilfe natürliche Gegenstände dazugebracht werden können, ohne Dazutun des Stiftes einesKünstlers sich selbst abzuzeichnen. „Er war sich dessen vollbewußt, daß Fotografie eine Art Automatisierung bedeutete,welche die snytaktischen methoden mit Feder und Bleistiftausschaltete“ . Photographie registriertpassionslos - Kunst wie technische Bilder, Profanes wiePoetisches. Etwa die Photographie eines Häuserpanoramas:159Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle. „Understanding Media“ [orig. 1964], Düsseldorf / Wien (Econ)1968, 206160McLuhan 1968: 206f, unter Verweis auf die Arbeit von William M. Ivins161Lorraine Daston, Die Kultur der wissenschaftlichen Objektivität, dtsch. in: Science + Fiction. ZwischenNanowelt und globaler Kultur, hg. v. Stefan Iglhaut / Thomas Spring, Berlin (Jovis) 2003, 45-64 (60)
Ein wahrer Wald von Schornsteinen säumt den Horizont: Denn <strong>das</strong> Instrument registriert alles, was eswahrnimmt, und einen Schornsteinaufsatz oder einen Schornsteinfeger würde es mit der gleichenUnparteilichkeit festhalten wie den Apoll von Belvedere. 162Ernst Jüngers Bildband <strong>Der</strong> gefährliche Augenblick (1931) zeigtZug- und Flugzeugunglücke, unter Anderem eine Vorwegnahme derSelbstmordbomber vom 11. September 2001 in Washington und NewYork: „Mineola. Sturz eines amerikanischen Verkehrsflugzeugesauf ein Haus. Flugzeug und Haus gerieten in Brand“. Das kalte Medium Photographie (undRadio und Fernsehen avant la lettre) steht im Bund mit derNatur der Katastrophe selbst:So erscheint der alltägliche Unfall selbst, der unsere Zeitungen füllt, fast ausschließlich als Katastrophetechnischer Art. Darüber hnaus ist an dieser zugleich nüchternen und gefährlichen Welt <strong>das</strong> Wunderbare dieRegistratur der Augenblicke, in denen die Gefahr erscheint, eine Registratur, die wiederum, wenn sie nicht <strong>das</strong>menschliche Bewußtsein unmittelbar übernimmt, durch Maschinen geleistet wird. Es gehört keine prophetischeBegabung dazu, vorherzusagen, daß bald jedes beliebige Geschehnis an jedem beliebigen Punkte sowohl zusehen wie zu hören sein wird. Schon heute gibt es kaum einen Voragng, der Menschen von Bedeutung scheint,auf den nicht <strong>das</strong> künstliche Auge der Zivilisation, die photographische Linse gerichtet ist. So entstehen oftBilder von einer mathematischen Dämonie, durch die <strong>das</strong> neue Verhältnis des Menschen zur Gefahr auf einebesondere Weise sichtbar wird. 163Da haben wir sie, die Geometrisierung, ja Mathematisierung des<strong>Blick</strong>s. Und weiter:Man muß erkennen, daß es sich hier weit weniger um die Eigenart neuer Mittel handelt als um einen neuen Stil,der sich technischer Mittel bedient. Dies leuchtet ein, wenn man die gleichzeitige Veränderung seit langem zurVerfügung stehender Mittel, so etwa der Sprache, untersucht. So wenig unsere Zeit an Literatur im alten <strong>Sinn</strong>ehervorbringt, so Bedeutendes leistet sie in bezug auf den sachlichen Erlebnisbericht. Das Bedürfnis desMenschen kommt ihr entgegen, dies erklärt unter anderem der Erfolg der Kriegsliteratur. Damit korrespondiert <strong>das</strong> Vorwort des Herausgebers FerdinandBucholtz: „ein neuartiges, ebenso unsentimentales wieunliterarisches Bilder- und Lesebuch zu schaffen.“ Trifft derkalte <strong>Blick</strong> hier auf ein anthropologisches Dispositiv? Jüngerdiagnostiziert „die absolute Gefahr“ als medientechnischeEskalation von Lessings Definition des prägnantes Moments(sein Traktat Laokoon von 1766). Er differenziert diezeitliche Modalität des (gefährlichen) Augen-<strong>Blick</strong>s, Ende der30er Jahre im Stück An der Zollstation beschrieben: „Wirunterscheiden zwischen dem Tode und dem Sterben nicht scharfgenug. Diese Unterscheidung ist insofern von Wert, als vieles,was wir dem Tode zuschreiben, sich bereits im Sterbenvollzieht“ .Jünger charakterisiert den Zeitabschnitt als „Spanne,diezugleich zur Zeit und auch nicht mehr zu Zeit gehört“ - eine Art räumliche162William Henry Fox Talbot, <strong>Der</strong> Zeichenstift der Natur, in: Die Wahrheit der Photographie, hg. v. W. Wiegand,Frankfurt/M. 1981, 61163Ernst Jünger, „Über die Gefahr“, in: Augenblick 1931: 1116 (16)
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