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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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katapultiert. Dies kulminiert in der Multimediawelt derGegenwart: Was aussieht wie ein Wiederanschluß anmittelalterliche „Medienökologie“ (Michael Giesecke), ist umsounerbittlicher (und unsichtbar, eskamotiert) davon getrenntdurch strenge alphanumerische oder gar nur binäre Berechnung.Neue Ordnungen des Sichtbaren wurden durch Photographiegeschaffen, „wie sie bildgebende Verfahren heute darstellen“ 171 .Ein Gewährsmann von Lev Manovichs The Language of New Media(MIT Press 2001) ist ausdrücklich Dziga Vertov und dessenZiel, die Begrenztheit menschlicher Sehfähigkeiten undBewegungen im Raum aufzuheben, um einen effizienteren Zugangzu den Daten der Wahrnehmung zu erhalten: seinerzeit Film, undjetzt wirklich der Computer. Doch "die verräumlichteDarstellung von <strong>Sinn</strong>esdaten im Computer geht nicht auf Vertovzurück, sondern auf militärische Flugsimulatoren von 1930.“ 172Bildgebende Verfahren strictu sensu basieren aufmathematischen Operationen, generieren also ganz neue Typenvon Bildern (wenngleich für menschliche Augen indifferent) -nicht mehr nur buchstäblich, sondern alphanumerisch „neueOrdnung des Sichtbaren“, neues Gesetz des Sag- oder Sichtbarenim <strong>Sinn</strong>e von Foucaults Archiv-Begriff.Jünger wählt, anstelle der menschlichen Ästhetik, dieaisthesis des Kamera-<strong>Blick</strong>s, ihrer Perspektive auf den Momentdes „gefährlichen Ereignisses“. Welche <strong>Blick</strong>weise haben wirvon dem der Medien zu lernen?<strong>Der</strong> von der Kamera gewährleistete Perspektivismus wird durch sine reine Oberflächentruktur und durch dieschwarz­weiße Bildqualität ergänzt: Die Vorkommnisse sind alle in <strong>das</strong> glehce graue Licht einesdokumentrischen Kontextes getaucht, der die jeweiligen Umstände nicht genauer erklärt. Letztlich aber - so die These von Meyer-Kalkus - deutet JüngerPhotographie nicht medientechnisch, sondern anthropologisch:als Eskalation dessen, was im Menschen schon angelegt ist.Es ist eine direkte Funktion des Weltkriegs, die Jüngerschreiben läßt: „Wir arbeiten wie kein anderes Leben voruns, mit künstlichen Gliedern“ . Mediale Prothesenim <strong>Sinn</strong>e McLuhans aber sind längst nicht mehr anthropomorph.Mit dem „zweiten Bewußtsein“ als Vergegenständiglichung desWeltbildes korrespondiert noch der „Aufbau seltsamer Bereiche,in denen durch die Anwendung künstlicher <strong>Sinn</strong>esorgane einhoher Grad der typischen Übereinstimmung geschaffen wird“. Doch mit der Photographie wird <strong>das</strong>Weltbild zugleich entsubjektiviert:Die Lichtschrift ist eine Art der Feststellung, der in unserem Raume Urkundencharakter zugebilligt wird. <strong>Der</strong>Weltkrieg war der erste große Vorgang, der auf diese Weise aufgenommen wurde, und seither gibt es kein171So Reinhart Meyer-Kalkus, Ernst Jünger und die Photographie, Vortrag an der Universität Potsdam, 20. Juni2002172Cornelia Vismann (Rez.), Malen nach Binärzahlen, in: Süddeutsche Zeitung v. 20./21. April 2002

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